Endlich wieder Theater in der Stadthalle! Eines, auf das man sich freuen konnte. Wenn das Theater Lindenhof und Heiner Kondschak angekündigt sind, dann werden Erinnerungen wach an ein gelungenes Gastspiel mit Texten von Robert Gernhardt. Das Multitalent Kondschak: Er ist Musiker, Schauspieler, Autor und Regisseur, hat Proben seines Könnens auch an Theatern wie Tübingen und Esslingen abgeliefert. Er gilt als Künstler mit Erfolgsgarantie.
Nach Kirchheim kam auf Einladung des Kulturrings die Produktion „Hallo Nachbar!“, die er mit dem Ensemble erarbeitet und bei der er Regie geführt hat. Es geht in den Liedern und Texten um das Verhältnis von Nachbarn mit dem ganzen Füllhorn von Streitmöglichkeiten: Lärmbelästigung, Missgunst, Missachtung, Verleumdung und was sonst noch. O je, welch finstere Materie! Nicht in der Produktion der Lindenhöfer.
Herrliches Originalschwäbisch
Auf vier Drehstühlen sitzen drei Männer und eine Frau – mit Instrumenten in der Hand. Natürlich spielt die Musik bei Kondschak eine entscheidende Rolle. Es folgt eine abwechslungsreiche, ausgewogen komponierte Folge von Chorgesang, Solopartien und Prosatexten. Bei der Musik gibt es neben den Eigenkompositionen Zitate aus Volksliedern und bekannten Songs. Die Stimmung bleibt auch dadurch erhalten, dass es immer wieder eine Runde von Sprüchen auf Papierstreifen aus dem „Spruchschüssele“ gibt, beispielsweise den Nachbardialog: „Ihre Katze hat meinen Wellensittich gefressen“. Die Antwort: „Dann hat sie ja schon zu Abend gegessen“. Die Lacher sind da garantiert. Andererseits offenbart eine Klage oft ein eigenes, viel größeres Fehlverhalten. Da beschwert sich jemand mit der Bohrmaschine in der Hand, dass sein Nachbar nachts um drei bei ihm heftig klingelt.
Das Lindenhoftheater und Kondschak würden sich aber verleugnen, wenn sie sich in kleinbürgerlichen Streitereien verlieren würden. Das Theater, weit hinten in der Provinz im Albdorf Melchingen zuhause, ist alles als andere als provinziell. Es weitet das Thema Nachbarschaft auch auf die Nachbarschaft von Staaten aus, ja auf das Zusammenleben der ganzen Menschheit. Wer das Zusammenleben aus Machthunger stört, wer sogar Kriege anzettelt, sollte auf den Mond transportiert werden. Im Privatleben wie in der ganzen Welt gilt es, Humanität im weitesten Sinn walten zu lassen. Der Schlusschor endet mit dieser positiven Utopie.
Die Produktion stammt aus dem Jahr 2018, das merkt man an manchen Beispielen wie dem streitauslösenden „Maschendrahtzaun“, der, in sächsischer Mundart vorgebracht, in den Boulevardmedien unglaubliche Ausmaße angenommen hat. Aber die Themen Streit und eine mögliche Versöhnung sind immer aktuell.
Dass die anspruchsvolle Materie so unterhaltsam herübergebracht wird, liegt natürlich vor allem am Bühnenpersonal und an den cleveren Regie-Ideen. Die musikalische Leitung hat der Klavier- und Akkordeonspieler Wolfram Karrer. Hannah Im Hof und die Lindenhofikonen Gerd Plankenhorn und Berthold Biesinger können verschiedene Instrumente spielen und alle die Ukulele. Vor allem aber können sie singen, was bei den Chorgesängen an den Mond besonders eindrucksvoll zum Ausdruck kommt. Und, das freut jeden Schwaben, sie sprechen ein herrliches Originalschwäbisch in allen Tonlagen.
Das wache Kirchheimer Publikum sah sich zu spontanem Szenen- und heftigem Schlussapplaus angeregt.
Info Das Theater Lindenhof wird am 1. Juni in anderem Gewand mit „Furor“ wieder in der Stadthalle zu Gast sein.