Morgens sieben Uhr. Das Bad ist mal wieder gefühlt stundenlang blockiert. Kaum öffnet sich die Tür, drängen sich dichte Nebelschwaden von Deodorant mit frischem Meeresduft und Haarspray in den Flur. Der Spiegel ist noch von der hohen Luftfeuchtigkeit nach dem Duschen beschlagen. Im Waschbecken verweisen vergessene Härchen auf das, was geschehen ist – eine waschechte Männerrasur.
Szenen wie diese spielen sich täglich in zahlreichen Badezimmern der Region ab. Gerade die jüngere Generation der Männer verbringt gerne mal einen längeren Zeitraum als ihre Großväter vor dem Spiegel. Nur Zähne putzen und mal eben unter die Dusche springen, gilt längst nicht mehr als zeitgemäß.
Männer und Körperpflege sind heute nicht mehr voneinander zu trennen. Das bestätigt Hata Sylmetaj aus dem Kirchheimer Friseursalon „Belle Etage“, dessen Inhaber Mike Hoffmann gleich mehrere ruhmreiche Titel vom Deutschen Meister bis zum Vize-Weltmeister vorzuweisen hat. „In den letzten drei bis vier Jahren hat sich ein Wandel vollzogen. Wir haben viel mehr männliche Kunden, die auch zum Haare färben oder Augenbrauen zupfen kommen“, erzählt die Friseurin. Sie vermutet insbesondere die Sozialen Medien hinter dem Phänomen. So ist vor allem in der jüngeren Generation die Nachfrage nach Dienstleistungen in der Körperpflege-Branche gestiegen.
Dieses Bild bekräftigt der selbstständige Friseur Iyad Suliman, der seit Oktober letzten Jahres den Friseursalon „The Professor“ in der Dettinger Straße führt. „Ich habe vorher in Stuttgart gearbeitet und hier habe von null angefangen“, berichtet er. Den schnellen Erfolg seines Ladens schiebt er insbesondere auf die Social-Media-Plattform Instagram: „In Stuttgart habe ich bekannten Leuten die Haare geschnitten, darunter auch dem Rapper SSIO“.
Personen aus der Öffentlichkeit machen es vor: Regelmäßige Körperpflege von Kopf bis Fuß formt nicht nur das Äußere, sondern spiegelt auch den Charakter wider.
Der Besuch beim Friseur dient nicht nur dem äußeren Erscheinungsbild. Für viele Männer ist der Barbier auch ein Ort der Entspannung geworden. Der regelmäßige Besuch ist für sie nichts ungewöhnliches mehr. „Oft lassen die Männer sogar mehr Geld als die Frauen da“, verrät der 21-jährige Top-Stylist Luis Kannenberg. Er berät jeden Tag viele verschiedene Kunden in der J7 Hairlounge.
Die Männer gehen also bewusster mit Körperpflege um. Das betrifft auch die Modebranche. Kleidung ist nicht einfach nur praktisch, Sportanzüge sind nicht einfach nur bequem, sie müssen heutzutage „Instagramable“ sein, stellt Oliver Spies grinsend fest, der seit 2020 Filialleiter bei Intersport Räpple in Kirchheim ist. „Die Kunden suchen gezielt im Netz nach Produkten ihrer Wahl und kommen mit bestimmten Vorstellungen in unseren Laden.“, führt der Kundenberater weiter aus. Ihm fällt auf: Um so jünger die Kunden sind, desto höher ist ihre Markenaffinität.
Entgegen der Vorurteile, Männer würden weniger Wert auf ihr Äußeres legen, ergibt sich aus den Meinungen der Expertinnen und Experten ein anderes Bild. Der moderne Mann achtet sehr auf die Körperpflege und besucht im Schnitt mindestens genauso häufig den Friseur wie die Frau.
Zum Tag der Männerpflege
Der „Tag der Männerpflege“ findet in den USA immer am dritten Freitag im August statt. Dieses Jahr fällt er auf den 19. August. Der Name allein wirft einige Fragen auf, und der Tag hat sich einen Platz im „Kalender der kuriosen Feiertage“ gesichert.
Recherchen zur erstmaligen Nennung des Feiertags führen auf eine Werbekampagne eines US-amerikanischen Herstellers für Körperpflegeprodukte für Männer aus dem Jahr 2007 zurück. plzr