Landtagswahl
Konsequent gegen den Kollaps

Klimaliste Die 22-jährige Lea Aschmann aus Notzingen ist Kandidatin der jüngsten Partei bei der Landtagswahl im März. Sie will eines sein: entschiedener als Grün.Von Bernd Köble

Die Frage musste kommen. Wann sie das letzte Mal ein Flugzeug bestiegen hat? Sie muss nachdenken. „Ich glaube, das war vor vier Jahren“, sagt Lea Aschmann. Zum Wanderurlaub auf Island. Seitdem nicht mehr. Sie ernährt sich aus der Biokiste vom Bauern, hat ihren ökologischen Fußabdruck täglich im Blick und studiert in Nürtingen Landschaftsplanung und Naturschutz im sechsten Semester. Mit ihren 22 Jahren könnte die Frau mit dem Ponyschnitt und der schwarzen Hornbrille genauso gut als überzeugte Kämpferin bei den jungen Grünen verortet sein.

Ist sie aber nicht. Lea Aschmann ist die Kandidatin der Klimaliste bei der Landtagswahl am 14. März im Wahlkreis Kirchheim. Eine Wahl, die sie und ihre meist ebenso jungen Mitstreiter nutzen wollen, um nicht nur den Grünen vor Augen zu führen, wo sie bisher versagt haben. Beim Klimaziel, die Erderwärmung unter der 1,5-Grad-Marke zu halten, aber auch darin, der kommenden Generation eine bessere und gerechtere Welt zu hinterlassen. Eine Welt voller Kompromisse, obwohl die existenziellen Fragen, so ihre Überzeugung, keine Kompromisse mehr dulden. Dabei könnte jeder die Fakten kennen, die die Wissenschaft in die Hand gibt. „Doch politisch wird daraus kaum etwas umgesetzt“, sagt die Studentin aus Notzingen. Auch nicht von den Grünen, die mit der Regierungsverantwortung nach ihrer Meinung zu weit in die Mitte gerückt sind.

Disput im Vorstand

Dabei ist die Klimaliste, ketzerisch gesagt, den Grünen auch in Problemfeldern bereits zwei Schritte voraus. Als die nach der Wende die Spaltung vollzogen, saßen sie zuvor bereits sieben Jahre lang im Bundestag. Bei der Klimaliste im Land trat der Vorstand im Januar nach heftigen Auseinandersetzungen zurück - acht Wochen vor der Wahlpremiere. Die Frage, ob man dem Klimaschutz einen Bärendienst erweist, indem man den Grünen Stimmen klaut, hat die jüngste Partei im Spektrum fast zerissen. Als neben den Grünen plötzlich auch SPD und Linke das 1,5-Grad-Ziel in ihren Wahlprogrammen verankerten, haben sich viele gefragt: Was soll das Ganze noch?

Eine Frage, an der auch Lea Aschmann nicht so einfach vorbeikommt. Dass jede Stimme für die Klimaliste indirekt eine Stimme für das bürgerlich-konservative Lager sein soll, hört sie oft. Sie sieht es anders. „Wir können die Klimabewegung stärken, weil wir in der Lage sind, aufzuklären ohne dabei in Interessenskonflikte zu geraten“, sagt sie. Dem Verstand eine Stimme geben, Politik an wissenschaftlichen Fakten ausrichten statt an Klientelinteressen. Darum geht es. Flankiert wird das Kernthema von Forderungen nach einer europaweiten Solidaritätsabgabe für alle Leidtragenden der Pandemie, wie es heißt. Finanziert aus Großvermögen, Konzerngewinnen und Finanztransaktionen. Oder auch nach einer Freigabe aller Impfstoffe für eine weltweite uneingeschränkte Produktion.

Wieviel Kretschmann steckt da als Antrieb dahinter? „Es ist ja nicht alles schlecht bei den Grünen“, sagt die 22-Jährige. „Es ist einfach nicht konsequent genug.“ Seit dem Klimagipfel in Paris habe sich wenig getan. „Die Wissenschaft zeigt, wie es geht, aber politisch passiert nichts.“

Auf den letzten Drücker

Dass das linke Lager nun programmatisch nachjustiert hat, reklamiert sie als Erfolg für die eigene Partei. Wo die vor dem 14. März steht, weiß sie nicht. Die Zeit ist der schärfste Gegner. Das gilt nicht nur für den Klimawandel. Die Klimaliste hat sich als Partei erst im September formiert. Sie selbst ist seit November dabei. Immerhin ist es gelungen, in kürzester Zeit 67 von 70 Wahlkreise zu besetzen. Dass auf dem Parteitag am kommenden Wochenende erst das Wahlprogramm beschlossen werden soll - fünf Wochen vor dem eigentlichen Urnengang - ließe sich jedoch auch wohlwollend allenfalls als jugendliche Unbekümmertheit verkaufen. Corona hat viele Prozesse erschwert. Man wollte mit den Menschen auf der Straße ins Gespräch kommen. Angesichts des streng akademischen Tons, der auf der Homepage der Landepartei herrscht, erscheint das wichtig.

„Wir sind eine relativ kleine Gruppe“, sagt Lea Aschmann. Vier aktive Mitglieder zählt die Kirchheimer Ortsgruppe. Da wird schon das Plakatieren im Wahlkampf zur Herausforderung. Am Dienstag erst hat sie die 30 doppelseitigen Pappschilder erhalten. Nicht weil man zu spät reagierte, sondern weil lange Zeit das Geld dafür gefehlt hat. Eine prall gefüllte Wahlkampfkasse wie bei den Etablierten gibt es nicht.

Sie wollen am Ball bleiben und weiter kämpfen. Auch nach dem 14. März. Für den wahrscheinlichen Fall, dass es zum Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde nicht reichen sollte. Immerhin hat die Angst vor einem zerstörten Lebensraum vor Jahrzehnten schon einmal einer vermeintlich chancenlosen Partei den Weg in Parlamente geebnet. Heute stellt sie im Land den Ministerpräsidenten.