Herr Cheret hat es doch tatsächlich geschafft, mit seinen Argumenten zu überzeugen. Ihm scheint nicht klar gewesen zu sein, dass er in einem Rathaus vor einem Gemeinderat spricht und nicht an einer Kunsthochschule für Kunststudenten. Wenn er das Wachthaus mit dem Klassizismus in Verbindung bringt, mag das kunsthistorisch richtig sein, wenn er jedoch den Klassizismus als Grundlage des heutigen Denkens beschreibt, muss man noch lange nicht seiner Meinung sein.
Betrachtet man das Wachthaus in seinem heutigen Erscheinungsbild, sieht man einen ansprechenden Fachwerkbau und denkt dabei bestimmt nicht an den Klassizismus mit seiner historischen Authentizität, welche überdeutlich die europäische Stadt als eine ganz besondere Erscheinung widerspiegelt, die in der Kunstgeschichte gepriesen wird (vgl. Cheret). Abgesehen davon wäre eine Entscheidung pro Fachwerk nicht die erste kunsthistorisch falsche Entscheidung in Kirchheim – man denke nur an die Alleenschule aus der Gründerzeit, deren Abbruch bereits beschlossen war, bevor sie den Flammen zum Opfer fiel. Man könnte hier aus der Vergangenheit lernen!
Befremdlich finde ich, dass fast die Hälfte der Gemeinderäte für das Verputzen gestimmt hat, obwohl sie mit entsprechenden Reaktionen aus der Bevölkerung rechnen. Reicht ein leidenschaftliches persönliches Plädoyer eines Architekten aus für so eine Entscheidung? Ist die Meinung der Bürgerinnen und Bürger so uninteressant und wenig wert, dass schockierende Reaktionen in Kauf genommen werden? Und was ist mit den fünf Enthaltungen? Wir haben Euch nicht unsere Stimme gegeben, dass Ihr uns Eure Stimme versagt!
Und zu guter Letzt spielt Geld doch eine Rolle. Wenn nämlich betont wird, dass die Entscheidung aus Überzeugung und nicht aus Geldgründen getroffen wurde, muss man kein Psychologe sein, um den wahren Grund zu erkennen.
Jutta Trotner, Kirchheim