Leserbriefe
Demütigung Russlands

Leserbrief zu dem Beitrag „Russlands Demütigung“ vom 18. März

Wenn eine Großmacht plötzlich aufhört zu existieren, stehen ihr verschiedene Optionen offen: Entweder sie verharrt in ihrem erstarrten System und kann es nicht verwinden, dass eine neue Ära angebrochen ist, was zur Folge haben kann, dass sie unbedingt zum alten Status zurückkehren will (Putins Weg), oder neue Chancen des Wirkens auslotet, um in ihrer veränderten Situation einen gedeihlichen Weg für sich und die Welt zu beschreiten.

Die UDSSR ist nicht die einzige vergangene Weltmacht. Das Relevante ist, das diese Macht an ihrer eigenen Seinsweise gescheitert ist. Das ist die eigentliche, die alles überragende Demütigung Russlands, basierend auf einem grundlegenden Systemirrtum. Gorbatschow hat dies erkannt, wollte gegensteuern, doch es war zu spät. Für Putin ging die Welt unter. Diese wesentliche Demütigung Russlands wollen neben Putin wohl auch Herr Brinker und Herr Dörr nicht wahrhaben. Sie thematisieren vielmehr, Russlands Sicherheitsbedürfnis sei nicht berücksichtigt worden, was nur ganz partiell zutrifft. Hierbei haben sie aber nur einseitig Russland im Blick. Das Baltikum, Polen, Tschechien, Ungarn etc. und die Ukraine, souveräne Länder, die ebenfalls Sicherheitsinteressen haben, kommen in ihren Ausführungen nicht vor.

Dass bereits 1992 Moldawien, das innenpolitisch unklug agierte, Transnistrien durch die 14. Armee Russlands gewaltsam „entrissen“ wurde, erwähnen sie nicht. Doch gerade dieses Ereignis belegt, welchen Weg Russland bereits eingeschlagen hatte und wie sehr die reale Bedrohung für die osteuropäischen Staaten Realität war. Putin kreierte eine brutale oligarchische Autokratie und verachtete die modernen Bedürfnisse seines Volkes, materiell wie ideell. Nun schickt er es in den sinnlosen Tod. Niemand hat das jüngere Russland mehr gedemütigt als Putin selbst.

 Ulrich Haussmann, Kirchheim