Leserbrief
Der Seele einen Sonntag geben

Zum Artikel „Streit um Tante-M und Co.“ vom 20. Dezember

Ja, auch in kleinen Kommunen soll es Nahversorgung geben! Braucht’s dafür den Sonntag? Nein, wir können uns darauf einstellen, dass es zu bestimmten Zeiten nichts gibt und können Einkäufe an sechs Werktagen erledigen. Und wenn sonntags sein muss, dann bitte nur wenige Stunden und nicht rund um die Uhr! Wenn nicht durchgehend offen ist, wird der Umsatz größtenteils auf die offenen Zeiten verlagert; die Wirtschaftlichkeit ist dadurch nicht gefährdet.

Der Sonntag ist geschützt für die „Arbeitsruhe und seelische Erhebung“. Es geht um Schutz! Es geht darum, dass es einen Tag in der Woche gibt, der den Menschen so weit es geht, vom Alltäglichen freistellt. Es geht um mehr als „nicht arbeiten“ und sich schlau von Automaten bedienen zu lassen. Das kann bei einem unaufschiebbaren Bedarf ja sinnvoll sein, wirklich not-wendig ist das selten.

Beim Sonntag geht es darum, die Betriebsamkeit zu unterbrechen und sich zu erholen. Das ist eine Art Kurzurlaub nach sechs Tagen Alltag. Da geht es um mehr als satt werden, es geht um das Mehr an Bedürfnissen – für Körper, Seele und Geist. Dafür ist der Sonntag da. Wer nicht religiös ist, wird anderes finden, was „dem Sonntag eine Seele und der Seele einen Sonntag gibt“ (Peter Rosegger). Ist denn soviel verloren gegangen vom Wert des Sonntags? Man kann lernen, am Sonntag nur das wirklich Notwendige zu tun! Und statt dessen den Sonntag als eine Art Feiertag begreifen und ihn entsprechend gestalten. Dabei auf andere Gedanken kommen, sich inspirieren lassen, die Zeit bewusst gestalten – für sich und auch mit anderen zusammen.

Ich bin überzeugt: Es tut der, dem Einzelnen und unserer Gesellschaft gut, den Sonntag wertzuschätzen und nicht nur mit Urlaub den Alltag zu unterbrechen. Und es trägt bei zu Resilienz, wenn Bedürfnisse nicht immer und überall befriedigt werden können. Meine Bitte: Geben wir dem Sonntag eine Seele und der Seele einen Sonntag. Dann erledigt sich das mit den sonntäglichen Einkäufen fast von selbst.

Manfred Wolf, Kirchheim