Herr Haumacher war in seiner Funktion als Vertreter der örtlichen Polizeibehörde bei einer geschlossenen Veranstaltung der AfD in der Gemeindehalle Notzingen. Wenn man zu seinen Gunsten davon ausgeht, dass er sich vergewissern wollte, ob dort alles mit rechten Dingen zugeht, bleibt trotzdem die Frage, warum er sich zu den einleitenden Worten hat hinreißen lassen. Hat er sich als Volljurist und erfahrener Politiker übertölpeln lassen? Hat er diese Worte als Vertreter der örtlichen Polizeibehörde gesprochen und liegt es im Aufgabenbereich der Ortspolizei, „kurz die Gemeinde vorzustellen“? Oder ist er auf dem Weg zum Podium in das Bürgermeisteramt geschlüpft? Erfüllt er dann noch das Neutralitätsgebot, wenn man davon ausgehen kann, dass viele Bürger und Bürgerinnen ein solches Verhalten zumindest als freundlich gesinnte Geste gegenüber der AfD interpretieren würden? Jüngst wurde ein Treffen von AfD-Funktionären mit Mitgliedern der identitären Bewegung und die dort diskutierte „Remigration“ von Millionen Menschen bekannt.
Wäre es da nicht angebracht, dass Herr Haumacher sein damaliges Verhalten überdenkt und sich jetzt positioniert? Müssen wir von einem Bürgermeister nicht erwarten, dass er sich für den Kern unserer Verfassung und die Basis unseres Zusammenlebens starkmacht: die unantastbare Würde des Menschen? Das Neutralitätsgebot für Amtsträger/-innen endet vor der Tür des Rechtsextremismus, und wenn sich ein Politiker nicht in seiner amtlichen Funktion (etwa als Bürgermeister), sondern als Privatperson oder Parteipolitiker (etwa als CDU-Mitglied) gegen die AfD stellt, verletzt er es nicht.
Herr Haumacher: Setzen Sie ein eindeutiges Zeichen gegen den stärker werdenden Rechtsextremismus und unterzeichnen Sie den Appell der Oberbürgermeister/-innen der umliegenden Städte und Gemeinden für demokratische Werte und gegen extremistisches Gedankengut. Oder ist Ihre Unterschrift inzwischen dort schon zu finden? Das würde mich sehr freuen – für uns alle!
Silvia Orzek, Notzingen