Leserbrief
Erlösende Gewalt?

Zur Berichterstattung über das Sondervermögen Rüstung und Umstellung der europäischen Wirtschaft auf Kriegswirtschaft 

Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit ist ein hohes Gut. Der Staat ist laut Artikel zwei, Absatz zwei, Grundgesetz, verpflichtet diese zu gewährleisten. Ich frage mich aber, wie ein Staat uns schützen kann, indem er Bürger „kriegstüchtig“ machen will. Gibt es denn Kriege ohne Tote, ohne Töten? Mit der Entscheidung der CDU/CSU, SPD und Grüne für unbegrenzte Mittel für die Rüstung und der Idee des Vorsitzenden der EVP Weber (CSU) im Europaparlament, die gesamte EU-Wirtschaft auf Kriegswirtschaft umzustellen, wird die Hilflosigkeit der politischen Ebene, sich auf eine diplomatische, friedliche, zukunftsfreundliche Alternative einzulassen, deutlich.

Ich höre schon die Gegenargumente: Wir müssen abschrecken, weil Putin nicht auf Friedensinitiativen reagiert. Wir müssen uns von Trump-USA unabhängig machen, weil Trump uns Europäer im Stich lässt. Und ich frage mich: Könnte es nicht sein, dass die Putinisten auf die Idee des Wettrüstens kommen? Könnte es sein, dass dieser Menschenverächter, wenn er in die Defensive gerät, nicht auch seine Atomwaffen einsetzt, auch auf die Wahrscheinlichkeit hin, dass er damit eine maximale Katastrophe für Russland auslöst? Könnte es nicht sein, dass der macht- und geldverliebte Trump und seine Plutokraten ein verseuchtes Europa dann tatsächlich fallen lässt?

Als Kind eines Vaters, der nicht nur zwei Brüder im Zweiten Weltkrieg „verloren?“ hat, sondern als Offizier seine Leute in den Tod schicken und selbst töten musste, kann ich diese irre Militarisierung nur aufs Tiefste bedauern.

Wäre es ein Trost, wenn sich alle, die diese Hochrüstung entschieden haben, sich als Erste zur Bundeswehr melden würden und auch bereit wären, an die Front zu ziehen? Nein, denn auch sie haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Martin Lempp, Bissingen