Zum Leserbrief "Kein Kampfbegriff“ vom 9. August
Sehr geehrter Herr Haussmann! Wenn ich Ihren Leserbrief lese, überfällt mich tiefe Traurigkeit – und große Wut. Traurig bin ich, weil aus Ihren Zeilen das Weltbild des Kalten Krieges 1950 bis 1970 spricht, wo in Deutschland viele Menschen, die sich als „links“ outeten, von der CDU als „Moskau-hörig“ verdächtigt und verunglimpft wurden. Sind Sie dort stehengeblieben? Gab es für Sie keine linken Kanzler wie Helmut Schmidt und Willy Brandt, die die Aussöhnung mit Moskau betrieben und so für eine lange Friedenszeit gesorgt haben? Warum halten Sie dann an der Feindseligkeit gegen „links“ fest? Blenden Sie das alles aus?
Wütend bin ich, weil Sie – ganz in der Sprache des Kalten Krieges – allen „Linken“ ohne jeden Beweis Ungeheuerliches unterstellen: sie würden die Kriegsverbrechen Russlands „relativieren“, sie würden das Verhältnis Täter-Opfer „umkehren“ und sie würden totalitäre Zustände in Russland „ignorieren“. Für diese Verleumdungen könnten Sie belangt werden.
Ich bin christlicher Theologe und verorte mich auch „links“, ich bin dankbar, dass es in Kirchheim das „Forum 2030“ gibt. Es wurde nicht von „sogenannten Pazifisten aus dem linken Spektrum gekapert“ wie Sie in der Sprache des Kalten Krieges herabwürdigend formulieren, sondern von Menschen, die sich Sorgen um die Zukunft machen, gegründet. Und ich bin mir sicher, dass Jesus heute für eine europäische Friedensordnung eintreten würde, die auch den ärgsten Feind, der für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden muss, einbezieht. Er würde jeder neuen Blockbildung entgegenwirken – so würde er die „Zeitenwende“ verstehen und nicht als Rückkehr zum Kalten Krieg, wie Sie es tun. Neue Blockbildungen sind das letzte, was die Menschheit angesichts der globalen Klimakatastrophe und ihren Folgen brauchen kann.
Martin Brost, Dettingen