Zum Leitartikel „Nicht so anstellen“ vom 9. November
Für Betroffene von Minderheiten-Meinungen klingt es wie ein kleiner Hoffnungsschimmer, wenn Guido Bohsem in seinem Leitkommentar davon spricht, dass die Fähigkeit, konstruktiven Widerspruch zu leisten und auszuhalten, in unserer Gesellschaft abhanden gekommen ist. Man kann ihm nur beipflichten, dass dies Fähigkeiten sind, die – nicht nur derzeit – gebraucht werden. Allerdings sitzt der Stachel der Betroffenen, die während der Hochphase der Corona-Pandemie schon allein aufgrund ihrer Zweifel an einer Reihe von Informationen unerträglich stigmatisiert und sofort in eine Ecke mit Verschwörungstheoretikern und Corona-Leugnern gestellt wurden (und häufig immer noch werden), oder der Zeitgenossen, die aufgrund ihrer kritischen Einschätzung zu Waffenlieferungen im Ukraine-Konflikt sofort als Putin-Sympathisant beschimpft werden, sehr tief. Anstatt sich mit den sachlichen Argumenten von Teilen der Minderheiten konstruktiv auseinander zu setzen – stellvertretend für viele seien hier nur Beiträge von Professorin Ulrike Guérot und Gabriele Krone-Schmalz erwähnt – wird mit Unterstützung großer Teile der Medienlandschaft zunächst alles unternommen, um den jeweiligen Verfasser beziehungsweise Verfasserin häufig in unerträglichem Maße zu diffamieren. Der mögliche anonyme Umgang in den sozialen Medienkanälen erleichtert zudem diese in hohem Maße unanständige und unaufrichtige Vorgehensweise. Deshalb hätte ich mir die Erkenntnis von Herrn Bohsem bereits vor zwei Jahren gewünscht. Das setzt jedoch den Mut und die grundsätzliche Bereitschaft seitens der Medienschaffenden voraus, sich überhaupt einmal mit den uns von der Politik und Teilen der Wissenschaft vorgesetzten und größtenteils bereits gefilterten Informationen kritisch auseinander zu setzen. So lange das nicht passiert wirken gut gemeinte Aktionen wie die ARD-Themenwoche „Wir gesucht – was hält uns zusammen?“ für die betroffenen Minderheiten geradezu wie eine provokative Pseudoaktion.
Roland Weil, Holzmaden