Leserbrief
Macrons Alleingang

Zum Kommentar „Fragwürdige Sehnsucht“ vom 24. Dezember

Zur allgemeinen Überraschung diplomatischer Kreise und interessierter „Politlaien“ traut sich der französische Präsident Macron die Sisyphusaufgabe zu, die Kriegstreiber im Kreml im Alleingang umzustimmen und sie in Sachen Ukrainekrieg auf den Pfad des Friedens zu bringen. Dies ist seit Jahren nicht einmal der amerikanischen Delegation gelungen.

Eigentlich müsste es Macron wie ein Canossagang vorkommen, führte er doch bereits 2022 insgesamt fünfzehn (!) vergebliche Gespräche mit dem Kremlchef in dieser Sache, wobei er bei einem Besuch einmal, wie andere Staatschefs auch, an Putins „Tisch des Grauens“ sitzen musste und sich dieser nicht einmal erhob, um ihn zu begrüßen. Darüber hinaus nannte Putin Macron schon mehrfach in despektierlicher Weise „Napoleon“ und bremste auch seinen designierten Kläffer und Wadenbeißer Medwedew nicht, als dieser Macron als „Tunte“ abtat.

Schon im Sommer 2024 war alle Welt mehr als überrascht, als Macron die Nationalversammlung vorzeitig auflöste und Neuwahlen ausrief, deren Ergebnis für ihn zum Desaster wurde, was er in seiner Neujahrsansprache 2025 auch kleinlaut einräumen musste. Nun scheint ihm erneut der politische Kompass abhandengekommen zu sein.

Dass Moskau Macrons Initiative, allein im Kreml aufzuschlagen, zugestimmt hat, verwundert dabei keineswegs. Es liegt im Interesse Putins, Europa zu spalten, und er geht darin nach Nicolò Machiavellis Prinzip „Divide et impera“ – Teile und herrsche – vor. Die Spaltpilze und Abweichler Orbán und Fico sind ihm dabei willfährige Wasserträger.

Die politische Linke, Sarah Wagenknecht und die AfD werden Macron für seinen Verstoß applaudieren und den Druck auf Kanzler Merz erhöhen. Aber kann das im Sinne des französischen Präsidenten sein?

Dr. Ernst Kemmner, Kirchheim