Leserbriefe
Marketingidee Fachwerkstadt

Zur Sanierung des Kirchheimer Wachthauses

Das alte Wachthaus muss saniert werden. Die mutige Entscheidung des Gemeinderates steht. Das Erscheinungsbild wird an den ursprünglichen Zustand angepasst. Für manche ein Frevel, nachdem sie die romantische Fachwerkfassade liebgewonnen haben.

Historisch korrekt wäre das Stadtbild, wenn man die Fachwerke nicht oder nur angedeutet erkennen würde. 1690 verkohlte das mittelalterliche Kirchheim fast komplett innerhalb seiner Festungsmauer. Nach nur fünfzehn Jahren war die Stadt weitgehend neu entstanden. Die Gestaltung der neuen Häuser waren vom Barockstil beeinflusst. Nach Vorgabe der herzoglichen Verwaltung mussten die Erdgeschosse in Massivbauweise ausgeführt werden. Für die oberen Etagen blieb in der Eile des Aufbaus nur die Möglichkeit, Zimmerleute für die Holzkonstruktionen zu beauftragen. Die Häuser wurden konsequent verputzt. Entstanden war eine neue Marktstadt mit dem Blick auf eine neues Jahrhundert. Gut 100 Jahre später wurde die noch vorhandene Befestigungsanlage in den Alleenring umgewandelt. Das Fachwerk des Rathauses wurde 1905 freigelegt.

Doch noch vor 60, 70 Jahren waren die Häuser im Zentrum grau, die Verputze in keinem guten Zustand. Wurden diese abgeschlagen, zeigte sich nach rund 250 Jahren nicht nur zweckmäßiges Ständerfachwerk, bei manchen Gebäuden kamen auch prächtige Konstruktionen, ähnlich dem Rathaus, zum Vorschein.

In der Folge wurde das Stadtbild abwechslungsreicher. Mitte der 70er Jahre entstand die heftig umstrittene Fußgängerzone. Um den lahmenden Tourismus anzukurbeln, kam Oberbürgermeister Hauser auf die Idee, dass eine Aufnahme in die Vereinigung „Deutsche Fachwerkstädte“ hilfreich sein könnte. Aus dieser Marketingidee entwickelte sich die Erzählung, dass es sich bei Kirchheim um eine „historische Fachwerk-Stadt“ handele. Was eben nur irgendwie stimmt oder auch nicht. Was nichts daran ändert, dass aus dieser Entwicklung eine neue Identität für die historische Marktstadt Kirchheim entstanden ist. Dennoch – Erbe verpflichtet. Da ist es ist nur konsequent, die notwendige Renovierung das Wachthauses zu nutzen, um dem historische Bauwerk sein altes Gesicht wieder zu geben.

Gerold Straub, Kirchheim