Viele Bundesbürger mit einigermaßen ausgeprägtem „politischen Gedächtnis“ werden sich noch an das hehre Motto der SPD „Respekt für dich“ im Bundestagswahlkampf 2021 erinnern. Auch Kanzlerkandidat Scholz führte dieses Wort in seinen Wahlkampfauftritten und in seinen Reden im Bundestag ein ums andere Mal im Munde: Respekt „vor der Lebensleistung“ der Deutschen, Respekt vor diesem und jenem . . .
Nachdem Scholz in seinen drei Amtsjahren als Kanzler immer eher hanseatisch unterkühlt, bisweilen fast apathisch, oftmals zögerlich – was die Partei als „besonnen“ verkaufte – daherkam, packt er in den letzten Wochen den beinharten Kämpfer aus. Mit den Händen fuchtelnd, das Rednerpult traktierend, die Stimme bedrohlich erhoben, wirkt er nun manchmal wie eine Mischung aus Duracell-Häschen, Springteufel und „Kai aus der Kiste“.
Diese Mutation schlägt sich neuerdings auch in seiner Rhetorik nieder, wo er anstatt des eleganten Floretts den schweren Säbel bevorzugt. So legte er sich vor wenigen Tagen mit Friedrich Merz, dem Mitkonkurrenten der CDU, an („Fritze Merz erzählt gern Tünkram“), und Christian Lindner sprach er schlicht die „sittliche Reife“ ab. Dass die politische Konkurrenz um Merz, Söder, Dobrindt und Kubicki auch nicht mit Samthandschuhen agiert, macht das verbale Holzen des Kanzlers, der ja auch eine Vorbildfunktion hat, nicht besser.
Wie wenig der mit Worten beschworene Respekt zu Scholz’ Taten passt, zeigt auch sein Umgang mit seiner Parteivorsitzenden Saskia Esken. Auf zwei vor wenigen Tagen in kurzer Folge gedrehten Videos wird nachgewiesen, wie ihr Scholz die kalte Schulter zeigt und sie wie Luft behandelt. Damit konfrontiert, bescheinigt sich der Kanzler selbst, das sei „peinlich“ gewesen. Wie wahr!
Dr. Ernst Kemmner, Kirchheim