Leserbriefe
Salto rückwärts zu G9?

Leserbrief zum Artikel „Kretschmann dämpft Hoffnung“ vom 22. September

Seit geraumer Zeit entfaltet eine Elterninitiative gewaltigen Druck, um mit einer Unterschriftenaktion in Baden-Württemberg die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium zu erzwingen, ein Abschluss, der bisher nur an 44 Versuchsgymnasien in BW möglich ist. Eine Minderheit von Bundesländern, darunter zum Beispiel Niedersachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen sind diesen Weg bereits gegangen. Den Initiatorinnen der Petition hat Ministerpräsident Kretschmann nun einen Dämpfer versetzt.

Völlig zu Recht führt er die gewaltigen Kosten von über 300 Millionen ins Feld, dazuhin die zusätzlichen zwischen 3000 und 4000 Lehrerdeputate, von denen angesichts der schwindenden Attraktivität des Lehrerberufs niemand weiß, woher sie kommen sollen. Die „Reform von der Reform“ würde auch bedeuten, dass in erheblichem Umfang neuer Schulraum geschaffen werden müsste.

Der Blick über die Grenze zeigt, dass Frankreich schon seit Jahrzehnten konsequent das „baccalauréat“ nach zwölf Jahren praktiziert, und es nicht bekannt, dass junge Franzosen im Vergleich weniger gebildet sind. In Sachsen und Thüringen macht man in ununterbrochener Folge seit 1949 (!) ebenfalls nach zwölf Jahren Abitur, und das im bundesdeutschen Vergleich mit großem Erfolg. Nach den Erhebungen zur Qualität von Bildung in Deutschland des Bildungsmonitors von 2023 (Statista) landen – oh, Wunder – Sachsen auf dem ersten, Thüringen auf dem dritten Platz.

Bereits 1918 haben übrigens Forscher der Universität Duisburg-Essen das oft vorgebrachte Argument der G8-Gegner entkräftet, schlechte Noten und Dauerlernstress der Schülerinnen und Schüler seien diesem Schultyp geschuldet. Sie wiesen stringent nach, dass die verkürzte Schulzeit keinen Nachteil und im Vergleich zu G9 keine schlechteren Noten bringe.

Dr. Ernst Kemmner, Kirchheim