Leserbriefe

BVG-Urteil schafft klaren Rahmen

Zum Kommentar „Falsches Menschenbild“ vom 11. November

Claudia Kling bemängelt in ihrem Kommentar, dass „diese Fälle“ (Hartzer) „künftig noch weniger sanktioniert“ werden, die Bürgergeldreform überzeuge wenig „in puncto Sanktionen“, was „schwer nachvollziehbar“ ist. Bezüglich Nachvollziehbarkeit hilft das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) vom 5. November 2019 weiter. Darin erklärt das Gericht diverse derzeitige Hartz-Regelungen für in Teilen verfassungswidrig und setzt der erforderlichen Neufassung des Hartz-Nachfolgegesetzes bezüglich der Ausgestaltung von Sanktionen konkrete Grenzen.

Besonders wichtig sind dem BVG strenge Verhältnismäßigkeits-Anforderungen von einerseits Strafmaßnahmen und andererseits von Regelungen zur Wahrung der Menschenwürde, das heißt, Gewährleistung der existenziellen Bedarfe (zum Beispiel Strom, Gas, Wasser, Unterkunft . . .) für eine menschenwürdige Existenz gemäß Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz. So bewertet das Gericht zum Beispiel die Folgen einer (nur) 30-prozentigen Kürzung des Arbeitslosengeldes II als Ausnahmesituation, als außergewöhnliche Belastung für Betroffene, wodurch in einem grundrechtlich geschützten Bereich harte Belastungen geschaffen werden, ohne dass sich die existenziellen Bedarfe der Betroffenen . . . verändert hätten. Im Übrigen: Es gab mehrere Jahre, in denen über 50 Prozent der Hartz-Betroffenen wegen Firmenpleiten in diese Lage geraten waren.

Außerdem müssten meines Erachtens parallel zur Bürgergeldreform Strom-, Gas- und insbesondere Wasser-Sperren als grundrechtlich geschützte Bereiche der menschenwürdigen Existenz (BVG-Zitat) per Gesetz verboten werden. Wie kann man tagtäglich ohne Wasser menschenwürdig leben – vor allem mit Kindern? Dagegen wirkt das derzeit diskutierte Abstellen der warmen Duschen in Sportstätten geradezu wie „Peanuts“.

Dieter Thalheim, Kirchheim