Leserbriefe

Die Zeit heilt nicht die Wunden

Zum Artikel „Beim Blumenpflücken abgestürzt?“ vom 20. Mai

Schön, dass der Teckbote seine Leser auch nach 60 Jahren an das schreckliche Unglück am Wannenfels über Oberlenningen, bei dem unsere Väter ums Leben kamen, mit einem sehr umfassenden Bericht mit Bildern erinnern möchte. Jedoch sind wir über den letzten Absatz dieses Artikels bestürzt und sehr traurig, dass eine Journalistin nach 60 Jahren die Lüge des Bürgers aus Oberlenningen erwähnt und somit den zuvor ausführlichen, wahrheitsgemäß recherchierten Bericht infrage stellt.

Gibt es in dieser Welt tagtäglich nicht genug „Wahres und Unwahres“ zu berichten, um die Sensationsgier vieler Menschen zu befriedigen, die großes Interesse und Freude am Leid von anderen haben?

Es ist unerhört, die Frage zu stellen, ob unsere Väter eventuell doch Raufbolde und Trinker waren und eventuell dadurch verunglückt sind. Menschen, die auch nach 60 Jahren sich an solchen Artikeln ergötzen, haben keinerlei Vorstellung, wie das Leben einer Familie nach so einem Unglück verläuft, welches Leid sich dahinter verbirgt und die Menschen prägt und lebenslänglich begleitet.

Man könnte noch ergänzend erwähnen, dass weder wir damals als zweijährige Mädchen noch unsere Mütter psychologisch betreut wurden, was heutzutage selbstverständlich wäre, sondern dass jede von uns ganz alleine mit diesem schrecklichen Unglück und den Verletzungen umgehen musste.

Dass die Zeit solche Wunden nie heilen kann, zeigt sich durch die Tatsache, wie sehr uns dieser Bericht aufgewühlt und verletzt hat.

Ingrid Hordes, Kernen, und Ruth Müller, Stuttgart