Leserbriefe

Diplomatie: nicht am Mikrofon

Zum Artikel „Die Klartexterin“ vom 20. September

28 Prozent Zustimmung. 35 Prozent Ablehnung. Der Rest vermutlich gespalten in „egal“ beziehungsweise „häh?“. Statistisch gesehen mag das zu Platz eins in der Beliebtheitsskala reichen. Die Realität sieht anders aus. Bei mehr als zwei Drittel ist Frau Baerbock eben nicht beliebt. Daraus nun eine Lobeshymne zu komponieren, ist mehr als realitätsfremd.

Klartexterin? Naja, es gab schon schwierigere Zeiten für Außenministerinnen. Viel falsch kann sie grad nicht machen. Einfach mal druff uff Putin und Russland. Das passt immer. Scharf, frech, wenig diplomatisch sei ihr Ton. Da kommt ein Melnyk in mir hoch. Diplomatie findet hinter verschlossenen Türen statt. Nicht am Mikrofon.

Neues Wording: „wertefest, interessengeleitet und lösungsorientiert“. Darf man fragen, wessen Werte und Interessen nun „in the lead“ vertreten werden sollen? Nur die Deutschlands? Oder auch die der jeweiligen Gesprächspartner? Lösungsorientiert. Ein Wort, das, muss ich zugeben, so richtig der Diplomatensprache entspricht. Sagt alles und doch gar nichts.

Das berühmte Beispiel in Istanbul. Das, was öffentlich von Baer­bock gesagt wurde, gehört hinter die vielzitierten geschlossenen Türen. Jemand bloßzustellen, ihm keine Möglichkeit zu geben, das Gesicht zu wahren, ist einfach nur diplomatische, politische Unfähigkeit. Oder Dummheit. Dass sie angeblich dafür in ihrer Behörde auch noch gefeiert wird, wirft ein eindeutiges Bild auf die deutsche Politik!

Jürgen Wannenwetsch, Kirchheim