Leserbriefe

Niveaulose Polemik

Leserbrief zum Kommentar „Alles außer Mainstream“ vom 24. Oktober

Während André Bochow auf Seite 2 recht sachlich über die angekündigte Gründung des Vereins „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) berichtet, kommentiert SWP-Chefredakteur Ulrich Becker auf Seite 1 auf Boulevardblatt-Niveau.

In distanzloser Anzüglichkeit („smarte Sahra“) und mit abgegriffenen Worthülsen und Totschlag-Phrasen („Heilsversprechen“; „Verstaatlichungen, Planwirtschaft, wirres Anbiedern an …Wladimir Putin“) geht es ihm mit seiner Stimmungsmache gegen das neue Projekt offensichtlich nur darum, eine dringend nötige neue linke Kraft im Land schon im Entstehen kaputt zu schreiben.

Die intellektuelle Armseligkeit und Demagogie des Textes gipfeln in der Aussage, bezogen auf die AfD: „Und wer weiß: Am Ende finden beide noch zueinander – das wäre dann die politische Hölle“. Ich hoffe doch, dass Becker mit dem Satz „National soll das Programm werden und sozial – da lässt die Wortkombi nichts Gutes ahnen“ Wagenknecht nicht auch noch in die Nähe einer radikal rechtextremen, verbotenen Partei rücken möchte. Oder will er lediglich Wagenknechts Bekenntnis zur Nation madig machen?

Nation als noch überschaubares, durch demokratische Verfahren gestaltbares Fundament von Politik, in deren Rahmen zum Beispiel bei Wahlen der Grundsatz realisierbar ist, dass jede Stimme gleich zählt. In diesem Fall empfehle ich ihm Klaus von Dohnanyis Buch von 2022 „Nationale Interessen – Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche“. Der erfahrene, hochbetagte Grandseigneur der SPD warnt in diesem mutigen und klugen Buch: „Wir müssen uns davor hüten, die Verfolgung `nationaler Interessen´ in Europa als `Nationalismus´ zu diskreditieren.“ Sicherlich nicht im Sinne Beckers wünsche ich mir, dass sein unsäglicher Kommentar noch mehr Menschen neugierig auf das neue linke Projekt macht.

Hans Dörr, Notzingen