Leserbriefe

Noch mehr Waffen?

Leserbrief zum Artikel „Eine besondere Sitzung“ vom 28. Februar

Wie Kanzler Scholz in seiner Regierungserklärung ankündigte, wird der Wehretat auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Außerdem erhält die Bundeswehr zwecks Aufrüstung Zugriff auf einen Fonds mit 100 Milliarden Euro.

Dem angesichts der aktuellen Eskalation flankierend erweckten Eindruck, die Bundeswehr sei in den letzten Jahrzehnten systematisch kaputtgespart worden, muss entschieden widersprochen werden. Das Budget der Bundeswehr stieg von 32,5 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf 46,9 Milliarden im Jahr 2021 steil an. Wenn die Truppe nun – etwa in Person von Heeresinspekteur Alfons Mais – argumentiert, sie stehe „blank“ da, so ist das nicht auf eine mangelnde Finanzierung, sondern auf chronisch verschwenderische Strukturen zurückzuführen. Noch 2014 kritisierte die damalige Staatssekretärin für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung, Katrin Suder: „Waffensysteme kommen um Jahre zu spät, Milliarden teurer als geplant – und dann funktionieren sie oft nicht richtig oder haben Mängel.“

Mehr als fraglich ist, ob die Bundeswehr-Strukturen überhaupt „sinnvoll“ derartige Gelder verarbeiten könnten, was durchaus auch von Befürwortern höherer Ausgaben bezweifelt wird. Zudem hat die Nato als Ganzes ihre Militärausgaben in den letzten Jahren bereits deutlich erhöht. Sie stiegen von 895 Milliarden Dollar 2015 auf 1106 Milliarden im Jahr 2020 an. Die Nato-Militärausgaben sind heute bereits um ein Zigfaches höher als die Russlands. Augenscheinlich haben die militärischen Ausgabensteigerungen bislang in keiner Weise zu mehr Sicherheit geführt, wie derzeit leider offensichtlich wird. Im Gegenteil. Diese Ausgaben und die mit ihnen zusammenhängende Politik sind sicher auch ein Teil des Problems und nicht der Lösung. „Frieden schaffen durch immer mehr Waffen“ hat noch nie funktioniert. Hilfreich wären dagegen Bemühungen um einen sofortigen Waffenstillstand und die Rückkehr an den Verhandlungstisch.

Hans Dörr, Notzingen