Leserbriefe

Stadtkataster und Reduktionismus

Zum Artikel „Lob aufs ,unterirdische Stadtarchiv‘ “ vom 21. März

Reduktionismus ist reduziertes Betrachten von Einzelelementen unter Außerachtlassen der Verflechtung im Ganzen. Diesen Vorwurf muss man dem Textteil des neuen Stadtkatasters machen: Dessen Autoren klammern sich reduzierend an die These, dass nur die erst ab 1315 erwähnte Kirche St. Martin die Pfarrkirche Kirchheims gewesen sein könne und dass es archäologisch erwiesen sei, dass die heutige Martinskirche die älteste Ortskirche Kirchheims wäre. Doch der Grabungsbericht Robert Kochs 1971 sagt genau das Gegenteil, was von Dr. Götz 2006 wiederholt wird. Deshalb ist diese Aussage im Stadtkataster nicht nur reduzierend, sondern auch falsch!

Ebenso wird die Nikolauskapelle, die das älteste namentlich bekannte Gotteshaus in Kirchheim darstellt, von den Autoren des Stadtkatasters aus nicht nachvollziehbaren Gründen bei der Martinskirche gesucht, obwohl in den Investiturprotokollen der Diözese Konstanz 1465 deutlich vermerkt ist, dass die Nikolauskapelle in der „Marienkapelle an der Lindach“ untergebracht war. Diese Marienkapelle wurde von Dr. Götz 1992 in der Herdfeldstraße lokalisiert, dort, wo bis 1840 das Kirchheimer Totenkirchlein stand.

Diese irreführende Darstellung im neuen Stadtkataster versperrt den Blick auf einen interessanten kirchlichen Entwicklungsstrang, der in Kirchheim im 13. Jahrhundert mit der Erwähnung der Nikolauskapelle und einer Marienkirche beginnt und im 14. Jahrhundert über eine „Leutkirche der Maria, des Nikolaus und der Katharina“ bis hin zu einer „Marienkapelle an der Lindach“ im 16. Jahrhundert führt.

Fritz Heinzelmann, Kirchheim