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Ötlingen: Tiny-House-Projekt wird konkreter

Bauen In der Ötlinger Halde soll Wohnraum für Menschen entstehen, die mit wenig Platz zufrieden sind. Zwei Initiatoren der Tiny-House-Siedlung stellen das Projekt vor. Von Antje Dörr

Dort, wo die Tiny-House-Siedlung aus dem Boden wachsen wird, steht aktuell ein Gerstenfeld. Es ist sommerlich warm, ein leichter Wind streicht über das Feld und lässt die Halme hin und her wiegen. Im Hintergrund leuchten die Häuser des Neubaugebiets Ötlinger Halde in der Sonne. Im März hat der Kirchheimer Gemeinderat grünes Licht für die Siedlung gegeben, die den neuen Ortsrand bilden wird. In zwei Jahren soll Spatenstich sein.

Die Initiative, die hier bauen will, heißt „Tiny unter Teck“ und besteht aktuell aus neun Parteien, aus Singles, Paaren und Familien. Darunter sind 14 Erwachsene zwischen Anfang 30 und Mitte 60 und sechs Kinder zwischen zwei und 17 Jahren. Eine Krankenschwester ist darunter und ein Landwirt, eine Heilpädagogin, eine Praxismanagerin, ein Rentner und ein Ingenieur, dazu kommen Lehrerinnen, Architekten und Innenarchitektinnen. 

Zwei Mitglieder der ersten Stunde sind Nina Urff und Niko König. Urff ist 45 Jahre alt, bei einer Bank fürs Firmenkundengeschäft zuständig und wohnt bislang mit Mann und zwei Teenagern in einem Einfamilienhaus in Esslingen. Ihr Tiny House soll 47 Quadratmeter groß sein, und damit mehr als halb so klein wie ihr bisheriges Haus – ein Umstand, der Urff mehr freut als ängstigt. „Unser bisheriges Haus ist völlig überdimensioniert, weil es eine Phase des Lebens abdeckt“, sagt sie mit Blick auf die Zeit, in der ihre Kinder flügge werden. Urff sagt, es präge sie der Wunsch, ressourcenschonend zu leben. „Wir sind eine Familie, die nicht hortet und sammelt, sondern versucht, reduziert zu leben. Dinge zu leihen, gebraucht zu bekommen und weiterzugeben.“ Dinge zu teilen, ist ein Grundprinzip der Tiny-House-Bewegung. Es brauche nicht jeder einen Geräteschuppen oder eine Bohrmaschine. „Der Klassiker ist das Raclettegerät, sagt Urff und lacht.

Auch Niko König hat überhaupt kein Bauchweh, wenn er an sein 47 Quadratmeter kleines künftiges Zuhause denkt, das er mit seiner Familie bewohnen wird. Im Gegenteil. Der Organisationsentwickler und Projektmanager hat zwei Söhne, einer ist zwei, der andere 17 Jahre alt. Dem Großen liegt, wie vielen seiner Generation, der Klimaschutz am Herzen. Immer wieder habe er seinen Vater gefragt, wie das alles weitergehen solle, was sie als Familie zum Klimaschutz beitragen könnten, sagt der 44-Jährige. Schnell sei man auf das Thema gekommen: Wie kann man teilen und reduzierter leben? Auch der gemeinschaftliche Aspekt ist König sehr wichtig. Der Vater seiner Lebensgefährtin sei Teil der Initiative. „Es ist total gut und wichtig, sich in den verschiedenen Lebensphasen gegenseitig zu unterstützen“, sagt er.

Die Initiative hat bereits Gespräche mit Interessentinnen und Interessenten geführt, die Teil des Bauprojekts werden wollen, ist aber weiterhin offen für Anfragen. Der Prozess brauche Zeit und Raum, weil man sich kennenlernen solle, um später gemeinschaftlich miteinander leben zu können. „Die Interessenten müssen herausfinden, ob sie das wirklich wollen.“ Ein Coach von der Allianz für Beteiligung begleitet „Tiny unter Teck“, „um diesen Gruppenprozess auf solide Beine zu stellen“, so Niko König. Gefördert wird das Ganze vom Land Baden-Württemberg. 

Wie die Siedlung aussehen soll, ist noch nicht final entschieden. „Das Meta-Konzept steht“, sagt König. Seit dem Beschluss des Gemeinderats im März läuft das Bebauungsplanverfahren. Gemeinsam mit der Stadt erarbeite man aktuell das Siedlungskonzept für das 3500 Quadratmeter große Areal. Der Zugang zum Gelände erfolgt über die Wendefläche im Narzissenweg. Geplant ist Wohnraum für 15 Parteien und ein Gemeinschaftshaus. Dazu Wege, Gärten und Parkplätze. „Die Parkplätze sind auf unserem Grundstück und nicht im Bereich der bisherigen Anwohner“, betont König. Die Tiny Houses werden unterschiedlich groß. „Das Ziel ist, in jeder Lebensphase den durchschnittlichen deutschen Pro-Kopf-Verbrauch von 47 Quadratmetern mindestens zu halbieren“, sagt Urff. Konkret bedeutet das: „Wenn unsere Kinder ausziehen, geben wir einen Teil des Wohnraums ab. Für die Gemeinschaft oder für ältere Angehörige.“

Wichtig ist Urff und König, dass es sich bei der Tiny-House-Siedlung nicht um ein eigenes Dorf handelt. „Der Prozess mit der Nachbarschaft hat begonnen, ein Treffen hat schon stattgefunden“, sagt König.