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Der Landkreis fährt auf Wasserstoff ab

Projekt In der Kirchheimer Straßenmeisterei ist seit Mittwoch das erste Fahrzeug mit Brennstoffzelle im Einsatz. Verkehrsminister Hermann spricht vom Aufbruch in eine neue Zeit. Von Bernd Köble

Zurück in die Zukunft: Vor kurzem noch saß Winfried Hermann im Rahmen einer einwöchigen Reise in die USA am Steuer eines autonom gelenkten Fahrzeugs im Forschungszentrum in Pittsburgh. Jetzt durfte Baden Württembergs Verkehrsminister den Beweis antreten, dass die Zukunft auch hier spielt. Direkt vor der Tür, in „The Länd“ oder genauer gesagt in Kirchheim. Dort wurde am Mittwoch das zweite Fahrzeug mit alternativer Antriebstechnik an die gemeinsame Straßenmeisterei der Landkreise Esslingen und Göppingen übergeben. Nach dem ersten reinen Stromer vor etwas mehr als zwei Jahren nimmt dort nun der erste Kleinlaster mit Brennstoffzellenantrieb seinen Dienst auf – als bundesweit einzigartiger Prototyp. Der Stellenwert dieser Premiere war gestern an Köpfen abzulesen. Spitzenvertreter aus Landespolitik, Wirtschaft und Hochschule gaben im Hof der Straßenmeisterei den „Startschuss in eine neue Zeit,“ in der das Land bis 2040 klimaneutral werden soll, wie Hermann betonte.

Der 4,6 Tonner mit Doppelkabine wurde auch diesmal konzipiert und aufgebaut vom schwäbischen Spezialisten EFA-S in Zell unter Aichelberg, der mit mittelständischen Zulieferern in der Region kooperiert. Ein Fahrzeug, das es so nirgends zu kaufen gibt, gebaut mit Know how, dass aus dem Umbau eines 26 Tonnen schweren Daimler-Trucks stammt, der bereits auf der Hannover Messe zu bestaunen war. Die schwäbische Tüftlerschmiede um den 74-jährigen Fahrzeugpionier und Firmengründer Reinhardt Ritter hat sich mit 18 Mitarbeitern vom reinen Umrüster zum Hersteller gewandelt. Mit markenunabhängigen Nischenfahrzeugen, für die es im Moment noch keinen Markt gibt, weil sie schlicht zu teuer wären. Mehr als 250 abgasfreie Fahrzeuge haben die Werkshallen in Zell bereits verlassen. Mehr als hundert sind Teil der Flotte des Paketzustellers UPS.

Nächster Schritt für den Kreis

Für den Kreis Esslingen ist es der nächste Schritt beim Projekt „Emissionsfreie Straßenmeisterei,“ das bundesweit Beachtung findet und als Teil des Wettbewerbsbeitrags „H2Rivers“ zu knapp zwei Dritteln von Bund und Land gefördert wird. Für den Esslinger Landrat Heinz Eininger, der das Projekt im Schulterschluss mit der Hochschule in Esslingen seit fünf Jahren vorantreibt, geht es nicht nur um Klimaschutz, sondern auch darum, „in der Transformation einen Großteil der Wertschöpfung und der Arbeitsplätze in der Region zu halten.“ Landrat und Minister brachen eine Lanze für die Pläne des Brennstoffzellenherstellers Cellcentric am Standort Weilheim, die den Markt befeuern sollen: „Wenn dieses Projekt scheitert,“ so Hermann, „dann haben wir ein Problem.“ 

 

Das Fahrgestell kommt aus Russland

Der Fahrzeugrahmen des brennstoffzellenbetriebenen E 46 D, wie er in der Straßenmeisterei im Kreis Esslingen zum Einsatz kommt, stammt vom russischen Hersteller GAZ Global. Die Modelle und Bauteile des Unternehmens aus Nizhny Novgorod, das zu den größten Nutzfahrzeugherstellern der Welt zählt, gelten als besonders robust und zuverlässig. Der schwäbische Umbau-Spezialist EFA-S aus Zell unter Aichelberg setzt weiterhin auf den russischen Partner, dessen Bauteile in Deutschland auch nach Beginn des Krieges in der Ukraine nicht auf der Sanktionsliste stehen.

„Die Fahrzeuge, die wir entwickeln, gelten als Produkt aus deutscher Herstellung und haben eine deutsche Fahrgestellzulassung“, betont Firmengründer Reinhardt Ritter. Die Antriebs-Komponenten stammen von mittelständischen Zulieferern aus der Region, wie Elring-Klinger aus Dettingen/Erms, der die Brennstoffzellen liefert.

Seit 2016 hält der chinesische Auto-Zulieferer Beijing Zhonghuan Investment Management Co. Ltd. als strategischer Partner 75 Prozent der Geschäftsanteile an EFA-S. bk