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Die Olpps gehen in den Ruhestand

Einzelhandel Ein Kirchheimer Traditionsgeschäft schließt seine Pforten: Maler, Heimwerker und Bastler müssen sich eine neue Anlaufstelle suchen – auch für die fundierten Fach- und Beratungsgespräche. Von Andreas Volz

In Kirchheim endet am Samstag eine Tradition, nach rund 125 Jahren: Matthias und Bärbel Olpp schließen ihren Laden in der Alleenstraße. Malerbedarf gab es an diesem Standort, dem einstigen „Mostkasino“, seit 1955. 1963 kam der Bastelbedarf hinzu. Maler und Tapezierer – ob Profis oder Heimwerker – waren im Laden ebenso Stammgäste wie die begeisterten Bastler. Wichtig war ihnen allen nicht nur die qualitativ hochwertige Ware, sondern auch die kompetente Beratung.

Matthias Olpp spricht scherzhaft vom „Problemverkauf“, den er jahrzehntelang betrieben hat. „Verkaufsgespräche haben oft mit dem Satz begonnen: ,Herr Olpp, wir haben folgendes Problem’.“ Für ihn sei es dann darum gegangen, mehr über das Problem zu erfahren und gemeinsam mit den Kunden Schritt für Schritt die Lösung zu entwickeln. „Viele haben sich das aufgeschrieben, weil es oft zu viel Information war, um sich alles merken zu können.“

„G’lernt isch g’lernt“, sagt er schmunzelnd und fügt hinzu: „Vieles an Erfahrung ist einfach auch im Lauf der Jahre dazugekommen.“ Größten Wert legt er auf folgende Feststellung: „Die Produkte, die wir verkaufen, haben wir alle selbst getestet. Wir wollten das, was wir verkaufen, mit gutem Gewissen empfehlen können.“ Mit Schrecken erinnert er sich an einen Versuch vor einigen Jahrzehnten, bei den Farben auch einmal ins preisgünstigere Segment einzusteigen: „Da hat es reihenweise Beschwerden gegeben, und wir haben das Experiment schnell wieder beendet.“

Auf Veränderungen flexibel reagieren zu können, das hat Matthias Olpps Handeln als Geschäftsmann bestimmt. Dabei geht er sogar an den Beginn der Firmengeschichte zurück: „Mein Urgroßvater Jakob-Ludwig Olpp hat im Oktober 1899 als Kunstmaler in Kirchheim begonnen. Das war eine ganz andere Zeit damals. Da hat man nicht tapeziert, da wurden Ornamente an Wände und Decken gemalt.“

Malerbetrieb sowie Farben- und Bastelgeschäft wurden 1965 getrennt. Ersteres übernahm Matthias Olpps Onkel Walter, zweiteres sein Vater Klaus. Er selbst hat das Geschäft in der Alleenstraße 1998 vom Vater übernommen. Gemeinsam mit seiner Frau Bärbel hat er es in „Olpp color“ umbenannt und alles auf EDV umgestellt.

Die Konkurrenz der großen Baumärkte sei durchaus zu spüren gewesen, sagt Matthias Olpp rückblickend. „Aber es sind auch Kunden gekommen, die gesagt haben, dass eine bestimmte Verdünnung bei uns sogar günstiger sei als im Baumarkt.“ Fast jede Woche heiße es: „Wir waren schon im Baumarkt und sind zu Ihnen geschickt worden.“ Da ist es also wieder, das Stichwort „Problemverkauf“.
 

„Man muss mit dem Beruf leben“

Zum Problem hat sich auch die Suche nach Nachfolgern entwickelt: „Interesse gab es, aber letztlich hat allen, die interessiert waren, die Perspektive gefehlt. Da war ich zunächst sehr enttäuscht, aber ich kann es immer mehr verstehen.“ Über den jahrelangen Alltag sagt Matthias Olpp: „Die 35-Stunden-Woche hatten wir immer schon am Mittwoch hinter uns.“ Das entspricht nicht mehr der heutigen Vorstellung einer idealen Work-Life-Balance. Dabei hat Matthias Olpp die beste Empfehlung für alle Berufstätigen: „Man muss mit seinem Beruf leben.“

Er selbst hat das 48 Jahre lang gemacht, die meiste Zeit über gemeinsam mit seiner Frau Bärbel, die hinzufügt: „Es ist schön, dass wir so lange zusammen gearbeitet haben – und dass wir jetzt gemeinsam aufhören.“ Die Entscheidung für den Ruhestand ist schon vor einiger Zeit gefallen. Aber je näher der Termin rückt, desto mehr Wehmut stellt sich ein. Die beiden freuen sich einerseits auf den 30. Dezember, und andererseits haben sie größten Respekt vor diesem Datum. Ähnlich gemischte Gefühle haben auch die Kunden. „Manche verabschieden sich von uns mit Tränen in den Augen oder bringen Geschenke vorbei“, sagt Bärbel Olpp.

Wie es mit dem Haus in der Alleenstraße weitergeht, steht noch nicht fest: „Es wird verkauft. Was dann damit passiert, weiß ich nicht.“ Die Aussichten für den Einzelhandel schätzt Matthias Olpp nicht gerade als rosig ein: „Die Kunden haben es in der Hand. Wenn es nicht besser wird, erleben wir ein Sterben von Innenstädten, wie es das noch nie gegeben hat.“ Das verstärkt den Wehmuts-Faktor. Und trotzdem sind die beiden davon überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben: „Wir wollen den Ruhestand genießen und hoffen, dass wir gesund bleiben.“