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Einzelhandel in Kirchheim: Es ist nicht alles Käse in der City

Einzelhandel In der Teckstadt fürchtet man keine Verödung des Zentrums wie derzeit in Esslingen – auch wenn einzelne Geschäfte wie der Käse Michel aufgegeben haben oder Filialen großer Ketten schließen. Von Thomas Zapp

Fünf Jahre lang war er eins dieser kleinen, aber feinen Geschäfte, die das besondere Flair einer Einkaufsstadt ausmachen, was Amazon und Co eben nicht zu bieten haben: Beim Käse Michel in der Max-Eyth-Straße konnte man die Spezialitäten eben auch „in echt“ sehen und vor allem riechen und schmecken. Seit Juni ist der Michel allerdings Geschichte und aus dem Stadtbild verschwunden. Zu den Gründen hält sich der ehemalige Inhaber Michael Klaschka bedeckt. Er habe jeden Monat Geld mitbringen müssen, deshalb habe er nach fünf Jahren Laufzeit den Mietvertrag nicht verlängert. Er hat sein Kirchheimer Standbein endgültig abgehakt und widmet sich neuen Aufgaben in Österreich. 

Der Standort für ein Käsegeschäft sei ohnehin schwierig gewesen, meint Saskia Klinger, Leiterin der städtischen Stabsstelle für Wirtschaftsförderung. „Auf dem Wochenmarkt gibt es den Allgäuer Käsestand, das war natürlich eine starke Konkurrenz“, sagt sie. Wahrscheinlich hat die Corona-Zeit und die allgemeine Teuerung einem Feinkostgeschäft auch nicht gerade geholfen. 

 

Das Kompakte in Kirchheim ist super.
Saskia Klinger, Stadt Kirchheim: Leiterin der Stabsstelle Wirtschaftsförderung
 

Nimmt man allerdings die benachbarte Esprit-Filiale und das Reno-Schuhgeschäft hinzu, die beide in Kürze schließen oder bereits geschlossen haben, drängt sich das Beispiel der Esslinger City auf, wo der angekündigte Rückzug des traditionsreichen Modehauses Kögel zum Beginn des nächsten Jahres geradezu für eine Schockwelle in der größten Stadt im Kreis gesorgt hat. 

Die Kirchheimer Einzelhändler bleiben jedoch besonnen. Die angekündigte Kögel-Schließung habe ihn auch überrascht, räumt Karl-Michael Bantlin ein. Für den Inhaber des gleichnamigen Modegeschäfts und Vorsitzenden des City Rings steht das Aus für Reno und Esprit in Kirchheim aber auf einem anderen Blatt. „Das sind beides Filialgeschäfte, die schließen in allen Städten. Reno hatte ja auch schon mal Insolvenz angemeldet“, sagt der Unternehmer. Da würden unrentable Filialen Insolvenz anmelden, andere weitergeführt. Ein inhabergeführtes Geschäft könnte das nicht, das muss sich durchbeißen.

Auch Saskia Klinger fürchtet keinen Leerstand großer Häuser wie in Esslingen. Aktuell gebe es in der gesamten Innenstadt 15 Leerstände, darunter aber auch strukturelle wie das Bräustüberl, was häufig auch an den Eigentümern der Immobile liege. Insgesamt gehe es Kirchheim aber gut, weil die Stadt auch ein Magnet für das Lenninger Tal sei. „Ein Plus sind hier die kurzen Wege, das ist eine 15-Minuten-Stadt“, sagt sie. Esslingen habe es deutlich schwerer durch die Nähe zu Stuttgart. „Und im ES oder Neckar-Center auf der grünen Wiese gibt es Konkurrenz für die Läden im Zentrum, außerdem ist dort alles sehr weitläufig zum Einkaufen“, ergänzt Karl Bantlin.

Dagegen punkte die Teckstadt mit ihrer gewachsenen Struktur und einem guten Branchenmix. „Eine Stadt wie Kirchheim sehe ich am ehesten im Kreis gewappnet“, sagt er. Tatsächlich stelle er fest: Es kommen immer mehr Kunden aus Esslingen.

 

„Wolkenlos und heiter“ folgt auf Parfümerie

Es ist also längst nicht alles Käse in der City, im Gegenteil: Es bewegt sich etwas. Für die Parfümerie Erb ist der Geschenkeladen „wolkenlos und heiter“ in die City gekommen, und auch für die frei werdenden Räume der ehemaligen Esprit- und Reno-Filialen führen die Eigentümer bereits Gespräche mit potenziellen Nachfolgern. „Es gibt auf jeden Fall Interesse“, sagt Saskia Klinger.

Allerdings malt Karl-Michael Bantlin nach Corona und Kriegsausbruch auch nicht alles in rosaroten Farben: „Richtig Spaß machen tut es noch nicht wieder“, sagt er. Zwar sei der Kundenzuspruch wieder auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit, aber die Kosten seien enorm gestiegen, vor allem Energie und Personal. Die Politik will er nicht in die Pflicht nehmen, nur in einem Punkt könnte sie für mehr Gerechtigkeit zwischen Online- und stationärem Handel sorgen: „Wenn man das Thema Nachhaltigkeit ernst nimmt, dürfen Retouren nicht kostenlos sein.“