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Genussvoller Geschichtsunterricht

Lesen Der neue Roman von Petra Durst-Benning entführt in das Reich des Geschmacks und gibt tiefe Einblicke in die ersten Restaurants dieser Welt und Südfrankreich mit dem Canal du Midi. Von Iris Häfner

Sie hat es schon wieder geschafft: Bestseller-Autorin Petra Durst-Benning betritt erneut literarisches Neuland und setzt damit ein Denkmal für all jene Frauen, die in Frankreich als Köchinnen Pionier-Arbeit geleistet haben. Der Roman spielt in der Anfangsphase der heute üblichen Restaurants, in der die „Mères de Lyon“ ordentlich mitgespielt haben. Der erste Band der Trilogie „Die Köchin“ ist somit ein schmackhaft verpackter feministischer Roman, der auf elegant-französische Weise mit den Machos in der Küche ins Gericht geht. „Ich habe ja seit jeher eine Schwäche für unbespielte Schauplätze. Über den Canal du Midi in Frankreich – heute Weltkulturerbe – gab es nun mal auch noch nichts. Das reizte mich enorm“, sagt Petra Durst-Benning über die Inspiration zu ihrer Roman-Trilogie, die in Südfrankreich spielt.

Die Recherchen dazu sind für sie die bisher aufwendigsten von allen: die Historie des Canal du Midi, die Entstehung der Restaurants und Gastroführer, die ersten Köchinnen. „Da wir jahrelang ein Ferienhaus direkt am Canal du Midi hatten, hat sich die Vor-Ort-Recherche von selbst ergeben. Darüber hinaus fand ich in einem Antiquariat in Le Somail, einem wunderschönen Hafenstädtchen am Canal, regelrechte Bücherschätze“, verrät die Autorin, die in Kirchheim tief verwurzelt ist. Doch genauso wichtig war ihr das sinnliche Erleben: „Die tausend Gerüche in der Markthalle von Narbonne, die herrlichen regionalen Produkte auf den Märkten, die täglich in einem anderen Ort stattfinden. Die salzige Luft, die urtümliche Atmosphäre bei den Austernzüchtern“, schwärmt sie.

 

Ich habe ja seit jeher eine Schwäche für unbespielte Schauplätze.
Petra Durst-Benning

 

Aufgrund der Historie seien die Orte am Canal schon immer ein wenig wohlhabender und besser aufgestellt als die Nachbarsorte im Hinterland. Das habe sich dank der Touristen, die heute Hausbootfahrten auf dem Canal machen, bis heute erhalten. „Entlang des Canals kommt man immer wieder an kleinen Res­taurants vorbei, die dem von Fabienne und ihrer Mutter ziemlich ähnlich sind. Da hatte ich in der Tat einige reale Vorlagen“, gibt Petra Durst-Benning Einblick in ihre Arbeit. 

Fabienne ist „Die Köchin“. Sie ist die Hauptfigur der Trilogie, dessen erster Band den Untertitel „Lebe deinen Traum“ trägt. Wenn Fabienne die Gäste des Schleusenwärterhauses bewirtet, ist sie glücklich. Die Schiffer lassen sich von ihr gerne bewirten, denn dort gibt es das beste Essen am ganzen Canal du Midi. Fabiennes Mutter kocht „nur“ mit den einfachsten Zutaten, aber auch mit Liebe und Leidenschaft. Als ihre „Maman“ unerwartet stirbt und der Vater eine neue Frau ins Haus holt, brennt die minderjährige Fabienne mit ihrem Geliebten durch. Schon bald lässt er sie jedoch im Stich, und die junge Frau muss sich schwanger allein durchschlagen. Dank der eigenwilligen und eigensinnigen Stephanie gelangt Fabienne auf deren elterliches Weingut bei Carcasonne. Sie findet in der Gutsküche eine Zeit lang  Arbeit, doch schwierige Umstände führen sie nach Lyon.

Nicht nur mit Fabienne meint es das Schicksal nicht gut. Die Reblaus hat in den 1880er-Jahren in Südfrankreich schrecklich gewütet und viele Existenzen für immer vernichtet. „Wenn ich als einen meiner Schauplätze ein Weingut wähle, darf ich über solche existenziellen geschichtlichen Vorkommnisse nicht hinweggehen. Im Gegenteil – wenn ich solche Dinge herausfinde, versuche ich immer, sie einzusetzen“, sagt Petra Durst-Benning.

Lyon ist der nächste Schauplatz des Romans. Es ist für viele die kulinarische Hauptstadt der Welt. „Das liegt zum einen daran, dass es rund um Lyon die besten Produkte gibt: Geflügel aus Bresse, Fisch aus den glasklaren Flüssen und Gebirgsseen, Käse aus der Auvergne, Wild aus den Dombes, und dazu befinden sich in unmittelbarer Nähe die berühmten Weinanbaugebiete wie Bourgogne und Côtes du Rhône“, zählt Petra Durst-Benning auf.

Lyons kulinarischer Weltruf liegt auch an den „Mères de Lyon“, den „Müttern von Lyon“. Sie waren die allerersten Frauen, die es wagten, sich an den Herd einer Restaurantküche zu stellen. „Mehr noch, sie eröffneten sogar selbst kleine Restaurants. ,Schuld‘ daran war der verlorene Deutsch-Französische Krieg von 1870/71, wo viele Bürgerfamilien ihren ganzen Wohlstand verloren haben und sich von ihrem Personal trennen mussten. Die nun arbeitslosen Köchinnen wollten nicht zurück aufs Land. Sie wollten auch nicht als Arbeiterinnen in die Fabrik gehen. Sie wollten kochen“, erklärt die Autorin. Diese Frauen eröffneten aus der Not heraus einfache Gasthäuser, Bouchons genannt. „Geld für teure Lebensmittel hatten sie natürlich nicht, also kochten sie das Essen, das sie früher fürs Gesinde ihrer Herren gekocht hatten. Ihre Gäste waren ja auch die kleinen Leute aus dem Viertel, sprich Fabrikarbeiter, Seidenweber und Handwerker. Später, in der Weltwirtschaftskrise der 1920er-Jahre, gab es nochmals einen Boom von Frauen, die aus der Not heraus ein Restaurant eröffneten“, recherchierte Petra Durst-Benning und wird dann deutlich: „Was ich erstaunlich finde: Es gibt nirgendwo in Lyon ein Denkmal für diese herausragenden und wegweisenden Frauen. Die Markthallen wurden beispielsweise nach Paul Bocuse genannt, lediglich die einzelnen Gänge in der Markthalle wurden nach ein paar Mères benannt. Das erinnert mich ein wenig an Stuttgart, wo überall Denkmäler von König Wilhelm zu bewundern sind, aber kein einziges von Königin Katharina. Da liegt es doch nahe, dass ich den allerersten Köchinnen ein kleines literarisches Denkmal erbaue, oder?“

Ein Hoch auf das einfache Essen

Beim zweiten Teil ist Petra Durst-Benning schon mittendrin im Schreiben. „Ich habe das Gefühl, dass ich im ersten Band bloß Luft geholt habe“, macht sie Lust auf mehr. Essen ist für sie essenziell. „Wir sollten ein Feinschmecken daraus machen und uns an jedem Happen freuen. Da geht es nicht um Kaviar, sondern um Lebensmittel, die einem guttun.“ Aus ein paar Kartoffeln und einem Bund Suppengrün lasse sich ohne viel Aufwand und Geld Leckeres zaubern. Deshalb finden sich auch ein paar Rezepte zum Nachkochen im Anhang, darunter auch für Mimosen-Eier à la Violaine, der Mutter von Fabienne.

 

Info Wer die Autorin persönlich kennenlernen möchte, hat dazu am Donnerstag, 6. Oktober, um 19.30 Uhr im Gasthaus „Friedrichs“ in Beuren am Thermalbad die Möglichkeit. „Read and Eat“, ist die Buchpräsentation zum Genießen mit Drei-Gänge-Menü überschrieben. Die Mimosen-Eier gibt es als Vorspeise und weitere Informationen unter der Telefon­nummer 0 70 25/8 44 54 62.

 

Private Einblicke

„Wenn ich morgens auf die Schwäbische Alb schaue und die Teck sehe, bin ich glücklich“, habe ich mein Leben lang gesagt. Und dann bin ich der Liebe wegen nach Rheinland-Pfalz gezogen und durfte feststellen, dass ich hier genauso glücklich sein kann. Die Bad Kreuznacher haben mich mit offenen Armen empfangen – als Neubürgerin, als Autorin, aber auch einfach als „Petra“. Dafür bin ich unglaublich dankbar. Natürlich habe ich trotzdem hin und wieder mal Heimweh. Aber dann setze ich mich ins Auto, fahre zwei Stunden und bin bei meiner Familie und unseren Freunden. Da wir noch ein kleines Appartement in der alten Heimat haben, ist das alles kein Problem. Genauso ergeht es mir mit Frankreich – wir haben dort zwar kein Haus mehr, aber sobald uns das „Frankreichweh“ packt, düsen wir los und verbringen eine schöne Zeit im Haus von Freunden oder in einem Ferienhaus.