Matthias Merkle ist schon viel rumgekommen auf der Welt. Immer mit im Gepäck ist seine Kamera, mit der er seine Reiseerinnerungen dokumentiert. Am liebsten ist der 55-jährige Hochdorfer dabei abseits der Touristenströme auf Erkundungstour und sucht den direkten Kontakt mit Land und Leuten. So auch diesmal: Nach dem Bali-Urlaub mit der Familie hängte er drei weitere Wochen dran, um alleine nach Sumatra und in den Dschungel der gut 140 Kilometer westlich davon gelegenen größten Mentawai-Insel Siberut weiterzureisen. „Der ursprüngliche Grund für die Reiseverlängerung war der große Wunsch, einmal Orang-Utans in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten zu können, was im Norden Sumatras möglich ist“, erklärt Merkle.
Noch von zuhause aus hat er sich um lokale Tourguides gekümmert: „Man braucht auf jeden Fall jemanden, der sich auskennt. Allein schon wegen der Sprache, mit Englisch allein kommt man abseits der Touristenzentren nicht durch.“ Zufällig stieß er bei seinen Recherchen auf Eru, einen Guide aus der Hafenstadt Padang, der schon über längere Zeit bei Indigenen auf den Mentawai-Inseln gelebt und deren eigene Sprache gelernt hatte. Mit ihm vereinbarte Matthias Merkle, eine Woche bei einer Mentawai-Familie im Dschungel der Insel Siberut zu verbringen.
„Eru hat mich morgens mit dem Moped im Hotel in Padang abgeholt, dann sind wir auf die Schnell-Fähre. Fünf Stunden dauerte die Überfahrt.“ Im Hafen angekommen ging es mit einem Laster zu einer kleinen Bootsanlegestelle im Dschungel. Dort angekommen hieß es umsteigen in ein wackliges, schmales Holzkanu, um auf dem Fluss weiter in die Tiefen des Dschungels vorzudringen: „Meine Kamera habe ich schnell eingepackt, das war mir dann doch zu heikel, zumal schon Wasser im Kanu stand. Ich war wirklich froh, als wir wieder aussteigen konnten", erinnert sich der 55-Jährige und lacht. Nach einem einstündigen Fußmarsch dann endlich die Ankunft bei der vierköpfigen Familie inmitten des Dschungels, die Matthias Merkle und Guide Eru eine Woche lang bei sich aufnahm. In dieser Zeit hat der Hochdorfer viel über den Selbstversorger-Alltag der Mentawai gelernt. Das Volk lebt bis heute als Jäger und Sammler, jeder in der Familie hat seine Aufgaben.
Täglich ging es für den Hochdorfer mit dem Vater auf die Jagd, 29 aufgestellte Fallen galt es dabei zu prüfen. Er lernte, wie man aus Wurzeln und Blättern Giftpfeile für die Jagd präpariert. Mit Mutter und Tochter ging er zum Fischen an den Fluss und erfuhr zudem vom vielseitigen Nutzen der Sagopalme: „Die Larven aus dem Holz werden lebendig gegessen oder an der Feuerstelle gegrillt - beides haben wir probiert.
Das Grundnahrungsmittel der Mentawai ist Sago, es besteht aus der Stärke, die aus dem Mark der Sagopalme gewonnen wird. Das wird in unterschiedlichen Varianten gebacken, etwa mit Bambussprossen oder geraspelter Kokosnuss. Ihre Kleidung fertigen die Mentawai teils bis heute aus Baumrinde“, nennt Merkle Beispiele für das ursprüngliche Leben im Einklang mit der Natur. Dazu halten sich die Mentawai Hühner und Schweine und bauen Pflanzen an.
Technik ist Mentawai fremd
Beim Besuch einer Nachbarsfamilie eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt, lernte Matthias Merkle einen Schamanen und dessen umfassendes Wissen über Heilkräuter kennen. Die Woche bei der indigenen Familie war ein Eintauchen in eine völlig andere Welt, sagt der Hochdorfer. Auf seinem Smartphone zeigte er seinen Gastgebern auf deren Nachfrage, wie das Leben im fernen Deutschland aussieht: „Die ganze Technik, die Häuser, unsere Fortbewegungsmittel - all das kennen und brauchen sie so nicht. Sie können völlig autark leben, wenn man sie nur lässt.“
Nach einer lehrreichen Woche in den Tiefen des Dschungels ging es auf einer diesmal elfstündigen Fährüberfahrt an Deck mit Ochsen und Schweinen zurück nach Sumatra. Dort machte sich Matthias Merkle zunächst mit zwei anderen Guides und Zelt für mehrere Tage auf in den nördlich gelegenen Dschungel zur Orang-Utan-Beobachtung, um schließlich die letzten Tage in ein eher touristisches Zentrum nahe eines Vulkans zu reisen.