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„Ich könnte keinen wegschicken“

Kirche Am 25. Februar wird in St. Ulrich ein Segensgottesdienst für Paare gefeiert. Der Kirchheimer Pfarrer Franz Keil spricht zuvor über das neue päpstliche Dokument „Fiducia supplicans“. Von Peter Dietrich

Für Paare gibt es am Sonntag einen besonderen Gottesdienst. Dabei ist es egal, wie lange die Partnerschaft schon dauert, oder welches Geschlecht die beiden Partner haben. Symbolfoto: Markus Brändli

Das Dokument der vatikanischen Glaubensbehörde mit dem Titel „Fiducia supplicans“, auf Deutsch „Flehendes Vertrauen“, war eine Überraschung. „Das kam wie ein Weihnachtspaket“, sagt der Kirchheimer Pfarrer Franz Keil. „Man muss dieses Dokument würdigen.“ Priester dürfen ab sofort homosexuelle Paare segnen. Keil verweist zuerst auf die positiven Reaktionen von Bischof Georg Bätzing, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, und von Irme Stetter-Karp, der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

Segen komme vom lateinischen „benedicere“, erklärt er, von „bene“ für gut und „dicere“ für sagen. Es gehe darum, einem Menschen von Gott her etwas Gutes zuzusprechen. „Ich bin als Kind nie ungesegnet zur Schule gegangen“, erinnert er sich. Stets habe seine Mutter ihm ein „mach’s gut“ zugesprochen, ihm ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet, dabei manchmal auch Weihwasser verwendet.

Lieber den VfB-Dress gesegnet

„Ich kann also jeden Menschen segnen. Und es bleibt unverständlich, Menschen den Segen Gottes zu verweigern. Zumal in der katholischen Kirche, anders als in der evangelischen Kirche, auch Dinge gesegnet werden, etwa ein neues Feuerwehrfahrzeug.“ Wenn Erstkommunionkinder nach der Kommunion etwas zum Segnen bringen, ist es oft das Gesangbuch „Gotteslob“ oder eine Kinderbibel. Keil hat es auch schon erlebt, dass ein Kind seinen FC Bayern-Fandress brachte. Dass er deshalb kurz schlucken musste, hatte weniger mit Theologie zu tun: „Ein Dress des VfB Stuttgart wäre mir lieber gewesen.“

„Ich habe es nie verstanden, wie man Menschen, die sich mögen, einen Segen verweigern kann“, sagt Keil. „Ich könnte keinen wegschicken, auch keinen Homosexuellen und keine Lesbe.“ Das habe er auch vor der Veröffentlichung des neuen Dokuments nie gemacht. Vor dem Segen am Ende jeder Messe womöglich jemanden rausschicken, weil der Segen für ihn nicht gelten soll? So etwas wäre für ihn völlig undenkbar und das gibt es auch sonst nirgendwo.

Was für „eine Art Meilenstein“ das Dokument sei, sei daran zu erkennen, wie viel Ärger Papst Franziskus nun bekomme. In afrikanischen Ländern, in denen für gleichgeschlechtliche Beziehungen die Todesstrafe drohe, verstehe er die Probleme der dortigen Bischöfe, solche Paare nun zu segnen. Den Widerspruch eines Kardinals Gerhard Ludwig Müller gegen das Dokument sieht er aber absolut nicht ein: „Der versteht den Segen nicht, der jedem Menschen gilt.“

Unangemessene Wortwahl

Wenn Keil sich gegen eine merkwürdige Unterscheidung zwischen Menschen wehrt, kann er sich dabei auf den Papst berufen: Wenn ein Unternehmer gesegnet werde, der vielleicht Menschen ausbeute, hatte Papst Franziskus gesagt, rege sich niemand darüber auf. Dass man dagegen die Segnung homosexueller Paare kritisiere, so der Papst, sei das für ihn „Heuchelei“.

So sehr Keil „Fiducia supplicans“ begrüßt, die Wortwahl findet er in Teilen unangemessen, wenn etwa von „irregulären Beziehungen“ die Rede ist. „Mir geht die ganze Geschichte nicht weit genug.“ Die gesamte katholische Sexualethik müsse schon einmal überarbeitet werden, findet er. Bleibe sie wie jetzt, höre in der Praxis kaum noch jemand auf die Kirche – dann leider oft auch dort, wo sie zur unantastbaren Würde des Menschen sehr Aktuelles zu sagen habe.

Einen Segen nicht mit dem Ehesakrament zu vermischen, sei in Ordnung. Aber ob es, so seine weitere Kritik, dafür derart alberne Regeln brauche? „Muss ich, wenn ein Paar zu mir kommt, mit der Stoppuhr segnen? Ich darf dabei kein liturgisches Gewand tragen und in der Kirche geht es eigentlich auch nicht. Das ist doch eine Diskriminierung homosexueller Menschen.“

Beim Segensgottesdienst für Paare am Sonntag, 25. Februar um 9.45 Uhr in St. Ulrich erwartet Keil Liebespaare von jungen Verlobten bis zu Jubelpaaren, die ihre jahrzehntelange Partnerschaft feiern, allermeistens Mann und Frau. Doch genauso freut er sich über das eine oder andere gleichgeschlechtliche Paar.