Lesetipps
Kretschmann in Weilheim: Warme Worte in hitziger Atmosphäre

Politik Beim „Bürgerdialog“ der Landes-Grünen in Weilheim lobt Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Teck-Region. Auch einige Zwischenrufer weist er zurecht. Dialog findet aber nur in kleinen Kreisen statt. Von Thomas Zapp

Wenn der Ministerpräsident in die Teck-Region kommt, gibt es immer ein paar lobende Worte. „So etwas wie die Limburg mit den Tausenden Obstbäumen auf den Streuobstwiesen gibt es dort nicht“, erzählte er in seiner Begrüßungsrede auf dem Bürgerdialog der Grünen in der Weilheimer Limburghalle launig über seinen Schwiegersohn. Mit „dort“ ist dessen schottische Heimat gemeint.

Neben den landschaftlichen Vorzügen des Naturstandorts betont Kretschmann aber auch die wirtschaftliche Stärke der Industrieregion Teck und dass sie sich anpassen muss – aber auch da ist Weilheim mit der geplanten Ansiedlung einer der weltweit größten Fabriken für Brennstoffzellen Vorreiter – ausdrücklich lobt er das Votum der Bürgerschaft pro Ansiedlung und wie wichtig die Ansiedlung für den Erfolg der wirtschaftlichen Transformation ist. Zum Status der Verhandlungen mit den letzten zögerlichen Grundstücksbesitzern äußert er sich nicht, ebenso wie die weiteren Redner, der Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz und Weilheims Bürgermeister Züfle – allerdings gäbe es auch keine Neuigkeiten zu vermelden. 

Der Landesvater hat natürlich auch Gutes im Gepäck: Genehmigungsdauer für Windkrafträder halbiert, geplanter Abbau der Bürokratie, Rekorde bei der Zulassung von Solaranlagen: 80 000 bis Juli, so viel im vergangenen Jahr insgesamt. „Dank an alle, die sich Solar aufs Dach schrauben.“ Und was ihm besonders wichtig ist: „Ich warne davor, von Deindustrialisierung zu reden, davon kann keine Rede sein.“ 

Es ist Halbzeit der nach eigenem Bekunden letzten Amtszeit des Ministerpräsidenten, und dass die Veranstaltung im Heimatwahlkreis seines Fraktionsvorsitzenden und möglichen Nachfolgers Andreas Schwarz stattfindet, dürfte daher kein Zufall sein. Dass der kommende Wahlkampf hitzig werden könnte, ahnt man an diesem Abend. Eine Gruppe grölt und buht bei Äußerungen des Ministerpräsidenten, vor allem wenn es um die Themen Strukturwandel und Migration geht. Worte wie „Heuchler“ sind zu hören. Der Ministerpräsident reagiert auf die Pfiffe, interpretiert sie als fehlenden Integrationswillen: Dann gehen die guten Köpfe woanders hin, sagt er. Es brauche Leute, die sich anstrengen, statt herumzujammern.

 

Dank an alle, die sich Solar aufs Dach schrauben. 
Winfried Kretschmann

Der Ministerpräsident freut sich über Rekordzulassungen in Baden-Würt­temberg.

 

In manchen Teilen der Halle brodelt es, schließlich kommt es auch zu einem Handgemenge, es soll einen Fußtritt in das Gesäß einer Protestierenden gegeben haben, nachdem ein Mann aus der Halle geführt wird. „Diesen Mann kennen wir nicht“, betont Grünen-Pressesprecher David Fischer vorsorglich. Die AfD Göppingen, von der Vertreter in der Halle anwesend waren, hat bereits einen Bericht auf sozialen Medien angekündigt. Zuvor war eine Demonstration von AfD-Sympathisanten vor der Halle vom Veranstalter untersagt worden.

Wohin eine Podiumsdiskussion in der auch temperaturmäßig aufgeheizten Halle geführt hätte, lässt sich nur erahnen. So ver­lief der Bürgerdialog an den 13 thematisch geordneten Stehtischen mit sämtlichen grünen Mitgliedern des Kabinetts überwiegend friedlich. Zu den meist besuchten Tischen gehörte der mit dem Fähnchen „Verkehr“. Dort plauderte Verkehrsminister Winfried Hermann über den geplanten Umbau des Albaufstiegs auf der A 8 von vier auf sechs Spuren. Dass grüne Minister keine Straßen bauen dürfen, sei ein Irrtum. „Da herrschen jetzt unerträgliche Verhältnisse.“ Die Mehrheit seiner Fragesteller wollten den neuen Albaufstieg. Das dauere jedoch länger, weil viele Voruntersuchungen erneut gemacht werden müssten. Er hoffe, dass in sechs Monaten das Planfeststellungsverfahren beginnen könne.

 

Die Bahn "bewegt“ die Leute

Was die Menschen auch bewegt, ist das Thema Bahn. Bei Zugausfällen sei man besser geworden, so der Minister, kämpfe aber mit der maroden Infrastruktur. „Die Bahn ist jahrelang auf Verschleiß gefahren worden, wir haben mit den Folgen zu kämpfen.“ Was sich jetzt kurzfristig ändern werde, sei die verbesserte Kommunikation bei Bahnausfällen. Durchgesetzt habe man sich auch bei der Wendlinger Kurve, die nun doch zweispurig sein wird. Der Stuttgarter Hauptbahnhof soll 2025 fertig sein, die Strecke zum Flughafen und zur Neubaustrecke nach Ulm wird noch zwei weitere Jahre dauern. All das konnten die Besucher erfahren – so sie sich denn auf den Dialog eingelassen haben.

Der Ministerpräsident hat die Halle derweil schon wieder verlassen. Es geht zurück zur Klausurtagung der Landtagsgrünen nach Bad Boll. Es war bestimmt nicht sein letzter Besuch in der Region, sei es zur Unterstützung des Nachfolgers oder der Nachfolgerin im kommenden Wahlkampf oder mit dem schottischen Schwiegersohn.