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Weniger Textilmüll: Der Computer hat ein Auge auf die Naht

Wirtschaft Mit digitaler Nahtkontrolle und Künstlicher Intelligenz will das Start-Up Faibrics den Ausschuss in der Textilproduktion minimieren. Zu den Gründerinnen gehört die Kirchheimerin Janine Weigele. Von Thomas Zapp

Mode, Müllvermeidung, Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz: Mehr aktuelle Megatrends lassen sich kaum in einer einzigen Geschäftsidee unterbringen. Die Kirchheimerin Janine Weigele und ihre zwei Partner Marie Weedermann und Moritz Weber haben all das in ihrem Startup „Faibrics“ vereinigt. Ihr noch junges Unternehmen soll künftig mit digitalier Technik und einer maschinellen Lernsoftware entscheidend dazu beitragen, in der Bekleidungsherstellung weniger Ausschuss zu produzieren.

„Der Ausschuss macht ungefähr 20 Prozent aus“, sagt Janine Weigele. Die ausgebildete Bekleidungstechnikerin hat beim Albershausener Modeunternehmen Mainpol gearbeitet und sich viele Gedanken über die Automatisierung und Qualitätskontrolle gemacht. „Da wird noch sehr viel manuell gemacht“, sagt die 30-Jährige. Viele Fehler werden beim Nähen jedoch erst in der anschließenden Kontrolle entdeckt. Wenn dann eine Naht schief oder fehlerhaft ist, muss sie entweder aufgetrennt werden oder das ganze Teil wandert in den Müll.  Viele Fehler werden auch erst bei einer späteren Qualitätskontrolle gefunden – denn die Näherin ist angehalten, nur jedes zehnte Teil zu prüfen.

 

Der Ausschuss macht ungefähr 20 Prozent aus.
Janine Weigele

 

Und genau das will sie vermeiden. Während ihres Masterstudiums Bekleidung – Technik und Management in Hamburg lernte sie Marie Weedermann kennen, die sich dieselbe Frage stellte: Wie kann man ressourcenschonender Mode herstellen? Gemeinsam entwickelten sie die Idee einer digitalen Qualitätskontrolle schon während der Produktion entwickelt. Eine mit künstlicher Intelligenz verbundene Kamera wird dafür auf die Nähmaschine montiert. Sie kann Unregelmäßigkeiten oder Fehler im Verlauf von Nähten sofort entdecken und ein Signal geben. Die Näherin oder der Näher kann dann stoppen und den Fehler beheben. Möglicherweise ist auch die Nadel stumpf und die Naht wird unsauber, auch das kann das System erkennen. „Damit kann man viel Zeit und Ressourcen sparen“, sagt Janine Weigele. Einen Prototypen gibt es bereits, und der kommt auch schon bei einem Modeunternehmen zum Einsatz. Angefangen haben die drei mit einer 20-Euro-Kamera, als entscheidendes Element kam dann die Software hinzu.  überhaupt ist die Software das entscheidende Element. Dafür kam über Bekannte Moritz Weber ins Boot, der für die Programmierung zuständig ist. Zu Dritt gründeten sie dann Faibrics. 

Dass die drei einen Nerv getroffen haben, steht außer Frage. Weggeworfene Textilien sind ein Problem. Allein Deutschland produziert jährlich 391752 Tonnen Textilabfall. Das entspricht 4,7 Kilogramm pro Einwohnerin oder Einwohner. In Belgien sind es sogar 14,8 Kilogramm. Gleichzeitig bewerben Unternehmen immer häufiger ihre „nachhaltige“ Mode und stellen heraus, wie „ökologisch fair“ die Textilien hergestellt wurden. 

Entsprechend groß sind die Möglichkeiten für Janine Weigele und ihre Mitstreiter, die ihr Unternehmen Faibrics genannt haben: Fabrics ist das englische Wort für Stoff,  „ai“, die Abkürzung für artificial intelligence, also Künstliche Intelligenz. Mittlerweile widmet sich Janine Weigele dem Projekt in Vollzeit. Über das Gründerstipendium Exist von Bund und dem Europäischen Sozialfonds kann sie sich und ihren Mitstreitern für ein Jahr ein Gehalt zahlen und sich dem Thema in Vollzeit widmen. Auch verschiedene Wettbewerbe haben sie schon erfolgreich teilgenommen, wie etwa Asap BW und Investorengespräche führt sie auch. „Bei vielen ist der Nachhaltigkeitsaspekt ausschlaggebend“, sagt die gebürtige Lindorferin, die ihr Abitur auf dem Schlossgymnasium gemacht hat. Besonders Unternehmen aus dem höheren Preissegment in Deutschland und Italien sind interessiert.

Doch darüber hinaus gibt es weitere Ideen, wie etwa Textilien im Sicherheitsbereich, wo es auf jede Naht ankommt, zum Beispiel Gurte für Autos oder Verschmutzungen und Schnittfehler auf großflächigen Textilien – dafür müsste aber der Bildausschnitt für die Kamera extrem erweitert werden. Aktuell will sie sich mit ihren Partnern aber erstmal auf ein Produkt konzentrieren. Da gibt es noch genug zu tun, unter anderem gilt es eine große Datenmenge zu managen. „Am Tag werden 20 bis 30000 Bilder erstellt, das kostet Speicherplatz“, sagt sie. Auch muss die KI noch weiter trainiert werden. „Wenn ein Stoff Tigermuster hat, sind die nicht immer gleich. Für den Computer ist es aber ein Fehler“, nennt sie ein Beispiel. Noch gibt es einiges, was Künstliche Intelligenz als falsch erkennt, für den Menschen aber richtig ist – das kreative Chaos muss die KI offenbar noch lernen, doch ihr Wissensdurst ist unendlich. Und das wissen die drei Gründerinnen und Gründer zu nutzen.