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Jetzt ist es nachgewiesen: Die S1 bis nach Weilheim ist „machbar“

Nahverkehr Erstmals haben Experten eine umfangreiche Studie für fünf stillgelegte Bahnlinien in der Region nach Kosten-Nutzen-Faktoren erstellt. Ergebnis: Kirchheim-Weilheim schneidet am besten ab. Von Thomas Zapp

Das Comeback für die Bahnverbindung von Kirchheim nach Weilheim ist ein großes Stück näher gerückt. Klarer hätte das Ergebnis der Machbarkeitsstudie kaum ausfallen können, die am Montagabend in Bad Boll vorgestellt wurde. Auch wenn die Idee schon seit Jahren durch Kreis- und Gemeinderäte geistert, ist jetzt erstmals konkret das Kosten-Nutzen-Verhältnis fünf möglicher Kandidaten für eine Reaktivierung berechnet worden. Mit 1,47 Punkten hat die Verlängerung der S-Bahn-Strecke von  Kirchheim nach Weilheim
 

Auch diese Erkenntnis ist ein Gewinn.
Weilheims Schultes Johannes Züfle
zur schlechten Bewertung der Strecke Kirchheim-Göppingen.

 

nicht nur das Soll von „größer 1“ locker erfüllt, sondern auch im Vergleich mit allen anderen Kandidaten am besten abgeschnitten. 

„Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie bringen uns einen großen Schritt weiter. Damit lässt sich arbeiten“, freut sich Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle. Ebenso äußert sich Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader. Er sieht in der Verlängerung der S1 „ein attraktives Angebot, um den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV zu forcieren. Nach Schätzungen der Gutachter könnten dadurch täglich 1500 Fahrten mit dem eigenen Fahrzeug vermieden werden“, sagt er. 

Ganz ohne Baustellen wird aber auch Weilheim nicht auskommen. Während die Trasse dort vorhanden sind, ist der frühere Bahnhof überbaut, der Halt würde einige hundert Meter vorher platziert. Dann ginge es noch um die Streckenführung: „Nach jetzigem Stand müsste für eine S-Bahn der Gleiskörper in Troglage zur Unterquerung der Holzmadener Straße und zwei Mal die Kalixtenbergstraße mittels Straßenüberführungen ausgeführt werden“, erklärt Bürgermeister Züfle. 

Einer Verlängerung der Strecke von Kirchheim nach Weilheim über Bad Boll bis Göppingen haben die Prüfer mit Werten unter 1 mehr oder weniger eine Absage erteilt. Grund dafür: Zwischen Weilheim und  Bad Boll müsste die Trasse komplett neu gebaut werden. „Auch diese Erkenntnis ist ein Gewinn“, findet Johannes Züfle. Pascal Bader will das Projekt dagegen noch nicht abschreiben: „Die Untersuchungen zur kompletten Verbindung mit Bahn oder Straßenbahn Kirchheim-Göppingen sollten dennoch weitergeführt werden“, meint er.

Dennoch dürfte der Fokus jetzt auf der Reaktivierung der alten „Teckbahn“ liegen. Zu den Profiteuren würde auch Holzmaden gehören: Der besondere Charme für die Urwelt-Gemeinde liegt darin, dass die Schienen bereits liegen. „Theoretisch kann morgen der erste Zug fahren“, sagt Bürgermeister Florian Schepp. Sogar der ehemalige Bahnhof existiert noch, allerdings ist dort ein Burgerrestaurant untergebracht. Der künftige Bahnhof würde wahrscheinlich ohnehin eher hinter dem Kreisverkehr Richtung Weilheim liegen. „Die S-Bahn ist 210 Meter lang“, sagt Florian Schepp. Dafür bräuchte man entsprechend Platz, der aber auf Höhe der Firma Festool vorhanden wäre.

Ein weiterer Vorteil der S-Bahn-Variante: Die Schienen wären auch für den Güterbahn-Verkehr geeignet und die Fahrzeuge wären günstiger als die reinen Stadtbahnfahrzeuge. In Summe könnte einiges an Straßenverkehr vom stark frequentierten Ort ferngehalten werden.

Auch Landrat Heinz Eininger bewertet die Ergebnisse entsprechend: „Wir können uns am ehesten eine Verwirklichung der S-Bahn-Verlängerung von Kirchheim nach Weilheim vorstellen. Letztlich wird aber auch die jeweilige Finanzierbarkeit eine große Rolle spielen.“

Derweil denken die Politiker auf Landesebene weiter. „Unser Ziel bleibt die verlockende Lösung eines Ringschlusses. Mit den Gutachtern sollte nun rasch geklärt werden, wie eine Durchbindung von Weilheim nach Bad Boll und damit auch nach Göppingen noch möglich werden könnte, um einen Ringschluss herzustellen", schreiben die Grünen-Landes- und Bundespolitiker Andreas Schwarz und Matthias Gastel optimistisch. Zeitnaher denkt Holzmadens Ortschef Florian Schepp in Bezug auf die „kleine Lösung“ Kirchheim-Weilheim: „Das ist eine Riesenchance, zumal das dann nicht erst in 20 Jahren fertig würde.“ 

 

Kosten in Höhe von 136 Millionen Euro

Fünf Strecken haben die Prüfer vom Verkehrswissenschaftlichen Institut Stuttgart und der DB Engineering und Consulting, in ihrer „Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung von Nebenbahnen“ untersucht: Die Hohenstaufenbahn von Schwäbisch Gmünd nach Göppingen, die Boller Bahn Göppingen-Bad Boll, die Teckbahn von Kirchheim nach Weilheim, sowie eine Neubaustrecke von Bad Boll nach Weilheim.

Als Ziele vorausgesetzt haben die Prüfer mindestens einen 30-MinutenTakt, einen elektrischer Betrieb mit Oberleitung, möglichst lange, umsteigefreie Linienwege und gute Anschlüsse an bestehende Schienenverkehre.

Die Kosten für eine S-Bahn-Verlängerung nach Weilheim liegen bei 136 Millionen Euro, dabei ist der Nutzen-Kosten-Quotient mit 1,47 der beste. Die Strecke Bad Boll-Göppingen würde 184 Millionen Euro kosten und hat die zweitbeste Bewertung mit 1,29. Die gesamte Verbindung von Kirchheim nach Göppingen mit Neubaustrecke von Weilheim nach Bad Boll würde im Eisenbahnbetrieb oder Stadtbahnbetrieb zwischen 469 und 609 Millionen Euro kosten, hat mit 0,66 und 0,83 aber eine niedrigere Bewertung. Am schlechtesten schnitt die Strecke Göppingen-Schwäbisch Gmünd ab: Quotient 0,09. zap