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Kirchheimer Traditionslokal: „Es gibt kein altes und kein neues Fass“

Gastronomie Nach Abriss-Schock vor 25 Jahren machte Fabio Bertholdi einfach ein neues Fass auf, das unter Nachfolger Alberto Gabos in seinem Sinne erfolgreich fortgeführt wird. Von Thomas Zapp

Der Abriss der Kirchheimer Gasthausinstitution „Zum Fass“ war ein Paukenschlag. Der Teckbote titelte im August 1997: „Die Tage der urigen Wirtschaft sind gezählt.“ Ende September war das Fass in der Max-Eyth-Straße Geschichte. Das Gebäude war in die Jahre gekommen und für die Besitzer, die Familie Bantlin, nicht mehr tragbar. Die Entscheidung fiel für den Abriss und einen anschließenden Neubau. Die Erinnerung daran tut dem damaligen Wirt Fabio Bartholdi heute aber nicht mehr nicht weh. „Wir hatten sogar das Angebot, in den Keller zu ziehen, aber das wollten wir nicht“, erzählt er.

Die Ursprünge des Kirchheimer Restaurants gehen bis ins Jahr 1843 zurück, es war Bäckerei und Weinstube, mit Wirten wie Brutscher oder Oechsle. In den vergangenen fünf Jahrzehnten haben ihm aber italienische Gastronomen ihren Stempel aufgedrückt.  „Wir waren die ersten in Kirchheim, die so eine Terrasse hatten. Da stand ein großer Birnenbaum, von dem die Birnen manchmal in den Cappuccino gefallen sind“, erzählt Fabio Bertholdi lachend. Er hatte 1971 das dritte italienische Restaurant in Kirchheim an der Ecke Max-Eyth-Straße und Gerberstraße vom „Germania“-Wirt Libero Jakobini übernommen und erfolgreich betrieben. „Wir hatten viele Studenten und Sportler, junge Leute“, erinnert sich der Wirt.

25 Jahre später sitzt Fabio Bertholdi entspannt mit seinem heutigen Nachfolger Alberto Gabos auf der Terrasse des „neuen“ Restaurants „Zum Fass“ in der Dettinger Straße und blickt auf das silberne Jubiläum des Umzugs zurück. Beide wissen, dass sie zufrieden sein können: Die Gäste sind dem Restaurant auch nach dem Ortswechsel treu geblieben. „Für mich gibt es kein altes und kein neues Fass, das ist eins“, betont Alberto Gabos. Er war 1989 im Alter von 17 Jahren als Aushilfe in den Sommerferien aus seiner Heimat Trentino gekommen, das mit Südtirol die nördlichste autonome Region Italiens bildet. „Meine Tante kannte die Familie von Fabio und fragte mich, ob ich in den Schulferien nicht mal bei ihm in den Schulferien arbeiten wollte“, erzählt er. Alle haben in demselben Dorf im Val di Non gewohnt.

Aus den Schulferien wurde mehr, Alberto war ein sehr gelehriger Schüler und wurde immer wichtiger für das Fass. Auch wenn er sich durchbeißen musste: „Fabio war sehr streng“, erzählt er lachend. Aber genau das sei wichtig: „Du brauchst keine Komplimente, du brauchst jemanden, der Dich verbessert, so ein bisschen wie ein Vater“, sagt er. Vom zwischenzeitlichen Besitzer Stefano Ganetti übernahm Alberto Gabos 2008 die Geschäftsführung und entwickelte das Restaurant in der Dettinger Straße kontinuierlich weiter. „Aus dem Parkplatz habe ich eine Terrasse gemacht, das hat damals keiner verstanden“, sagt er.

Den Mittagstisch mit Vorspeise und Hauptgang, bei dem man zwischen drei Gerichten wählen kann, hat er bis heute beibehalten und auch ansonsten die Maxime des Gründers befolgt: Die bodenständige und gute Küche für Jedermann behutsam erneuern. Deshalb gibt es neben hausgemachten Ravioli auch mal Risotto mit Tartar aus roten Gambas. Die Leute seien heute viel besser informiert, kenne sich gut mit Wein aus, sagt er. „Früher wollte jeder Lambrusco, den trinkt heute keiner mehr“, wirft Fabio Bertholdi lachend ein.

Und auch die schwäbischen Einflüsse sind stärker geworden: Maultaschen und Spätzle gehören heute zur Karte. „Am Samstag haben wir früher mit unseren Gästen schwäbische Rezepte ausprobiert“, erinnert sich Alberto Gabos, der sich in der Teckstadt pudelwohl fühlt. „Kirchheim ist meine Heimat geworden“, sagt er mit Überzeugung. Gerade in der Corona-Zeit habe er extrem die Unterstützung der hiesigen Stammgäste erfahren. Den Lieferservice aus dieser Zeit hat er beibehalten. Und wenn er mal in seinen Geburtsort fahren will, ist er in fünf Stunden da – auch wenn ihm als Wirt des Fasses und Teilhaber von Incanto und Al Campo in Ohmden meistens die Zeit fehlt.

So wurde das Fass, wie man es heute kennt, an beiden Standorten zusammengezählt im Jahr 2021 stolze 50 Jahre alt – so alt wie der heutige Wirt. Die Party fiel allerdings wegen der Corona-Beschränkungen aus. „Das wollen wir in diesem Jahr nachholen“, sagt Alberto und Fabio Bertholdi nickt. Dann könnten sie auch im wahren Sinne des Wortes mal wieder ein Fass aufmachen.