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Tim Bengel ist jetzt auch mit virtueller Kunst auf Goldkurs

Innovation Mit seinen Bildern aus Sand und Gold ist Tim Bengel bekannt geworden. Jetzt hat der Esslinger Künstler gemeinsam mit dem Rapper CRO eine Kollektion digitaler Skulpturen geschaffen. Von Bianca Lütz-Holoch

Das Internet hat für Tim Bengels Karriere schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Bekannt geworden ist der Künstler aus Esslingen-Berkheim in den sozialen Medien mit den spektakulären „Enthüllungen“ seiner Bilder aus Sand, Gold und Klebstoff. Bis heute versteht es der 30-Jährige wie kaum ein anderer Künstler, seine Werke, aber auch sich selbst in der digitalen und der analogen Welt zu vermarkten.

 

Kraut sollte die neue Avocado sein.
Tim Bengel
Der Künstler greift in seiner Kunst immer wieder Krautstrukturen auf, um auf das klimafreundliche, regionale Superfood aufmerksam zu machen.

 

Sein neuester Coup: Gemeinsam mit dem Stuttgart Rapper CRO – der als Künstler unter dem Namen Carlito firmiert – und 15 weiteren Künstlern hat er eine Kollektion an digitalen Skulpturen geschaffen. Neben all den greifbaren Werken des Esslingers existieren jetzt also auch zehn rein virtuelle Bengels. Zwei davon hat er sich übrigens selbst gesichert.

„Ich beschäftige mich schon lange mit virtueller Kunst und habe irgendwann angefangen, NFTs zu sammeln, um zu verstehen, was dahinter steckt“, erzählt Tim Bengel. NFTs, also „Non fungible Tokens“ sind „nicht austauschbare Wertmarken“. Dabei handelt es sich um Besitznachweise für digitale Vermögenswerte, die einzigartig sind, also zum Beispiel eben virtuelle Kunstwerke oder Avatare in Computerspielen. Registriert sind sie auf einer Blockchain, einer große Datenbank, in der Transaktionen nicht zentral, sondern verteilt auf allen Rechnern des Netzwerks gespeichert werden. Auch Kryptowährungen greifen darauf zurück.

Variationen von CROs „Michelle“

Dann kam CRO. „Er hat mich gefragt, ob ich Lust habe, seine digitale Skulptur ,Michelle’ zu individualisieren.“ Tim Bengel wollte. Die Herausforderung: Auch online sollten seine Kunstwerke aus Sand und Gold bestehen. „Ich habe mich dann mit einem 3D-Künstler hingesetzt“, sagt er. Je nach Variation dominieren weiß, schwarz, grau oder gold. Fast auf allen Werken findet sich außerdem ein ganz spezielles organisches Muster wieder. Was unwissende Betrachter für Zebra- oder Tigerstreifen halten, ist in Wirklichkeit eine Hommage an das Kraut.

„Die Krautstruktur findet sich jetzt immer wieder in meiner Kunst“, verrät Tim Bengel. Der Grund: Er will dafür sorgen, dass Kraut wieder sexy wird. „Kraut sollte die neue Avocado ein“, so Tim Bengel. „Es ist Superfood, das in vielen Variationen in der Region wächst, viele Vitamine und einen sehr niedrigen CO2-Abdruck hat“, sagt er – ganz im Gegensatz zu vielen anderen Superfood-Arten, die bei vielen Millenials und Veganern als hip gelten, aber wenig klimafreundlich sind, wie beispielsweise Chia-Samen oder eben die Avocado. Genau mit der ist Tim Bengel, selbst Millenial und Veganer, schon einmal kritisch ins Gericht gegangen: Vor gut einem Jahr erregte er mit einer provokativ dekadenten Avocado-Bagel-Skulptur aus purem Gold weltweit Aufsehen.

Dass auch NFTs wegen des hohem Stromverbrauchs der Blockchain als Klimakiller gelten, ist Tim Bengel bewusst. Allerdings sind seine digitalen Werke wie die meisten NFTs an die Kryptowährung Ethereum gebunden und werden auf der Ethereum-Blockchain „geminted“, also digital geprägt. Dort steht nun ein Update an, das den Stromverbrauch entscheidend senken soll. „Sobald das passiert, ist das Klimaargument außer Kraft“, hofft Tim Bengel.

NFTs bieten gewisse Extras

Für die Zukunft kann er sich vorstellen, eine ganz eigene NFT-Kollektion zu entwerfen. „Aber dann möchte ich etwas Nachhaltiges machen, das den Besitzern wirklich etwas bietet“, sagt er. Viele NFTs halten Extras für deren Besitzer bereit: Wer ein Werk aus der CRO-Kollektion oder einen Anteil daran besitzt – das macht die Plattform Timeless ganz ohne Krypto-Wallet, also ohne Besitz von Krypto-Währung möglich – gehört beispielsweise zur Carlito-Community und bekommt Zugang zu exklusiven Aktionen, bei denen es mal Karten fürs CRO-Konzert und mal einen Kunstdruck aus der Kollektion zu gewinnen gibt.

Den Handel mit digitalen Kunstwerken betrachtet er mit gemischten Gefühlen. „Es gibt sicher echte Bengel-Fans, die ganz bewusst eines meiner NFTs erwerben“, glaubt der Künstler. Tatsächlich ist die erste „Michelle“ aus Sand und Gold bereits wiederverkauft worden – für 5000 Euro und damit den 50-fachen Wert des Anfangspreises. Auch in einem virtuellen Museum in einem Metaversum waren Bilder aus der CRO-Kollektion schon zu sehen.

„Für viele sind NFTs aber nur ein Spekulationsobjekt“, ist sich der Künstler aus Berkheim im Klaren. Tatsächlich ist der Handel mit damit eine Kombination aus Spekulation und Wette. Denn wer sich auf dem digitalen Marktplatz Open Seas oder auf der Plattform Timeless vor dem offiziellen Drop um ein Carlito-NFT oder Anteile daran beworben hat, kaufte die sprichwörtliche Katze im Sack: Die Zuteilung übernahm der Zufallsgenerator.

Kunst mit Aura

Fest steht für Tim Bengel: Mit Kunst zum Anfassen können es die virtuellen Werke nicht aufnehmen. „Ich bin ein großer Fan von analoger Kunst. Sie hat eine Aura und verändert den ganzen Raum, in dem sie sich befindet“, sagt er: „Da bekommt man etwas Lebensveränderndes für sein Geld.“ 

Entsprechend setzt der 30-Jährige weiter auf seine Bilder aus Sand und Gold, aber auch auf die Werke anderer talentierter, junger Künstler. Aus diesem Grund hat er zum einen an der Eröffnung der Galerie „Better go South“ in Stuttgart mitgewirkt, die Kunstliebhabern aus aller Welt einen Anlaufpunkt in Stuttgart bieten möchte.

Zum anderen besitzt er mittlerweile selbst eine beträchtliche private Sammlung an Werken talentierter Künstler seiner Generation. Die hat er auch schon zu einer Ausstellung in seinen Showroom in der alten Gießerei in Esslingen-Berkheim eingeladen. Dort dürfen zudem regelmäßig andere Künstler ausstellen – Partys und Vernissagen inklusive. Genau das ist es, was Kunst aus Sicht von Tim Bengel ausmacht: „Das Coole ist doch, dass sie Anlass zu Begegnung gibt“, sagt er – und zwar ganz real und nicht nur im Netz.

 

Veganes Restaurant und vegane Schuhe

Internationales Aufsehen hat Tim Bengel mit dem wohl teuersten Bagel aller Zeiten erregt. Unter dem Titel „Who Wants to Live Forever?“ schuf er eine Skulptur aus purem Gold. Der Avocado-Bagel besteht aus 27 Einzelteilen und kann immer wieder neu belegt werden.

Das vegane Restaurant „vhy!“ in Stuttgart hat Tim Bengel vergangenes Jahr gemeinsam mit dem ehemaligen VfB-Torwart Timo Hildebrand eröffnet. Dort werden ausgefallene, rein pflanzliche Gerichte serviert. 

Einen Abstecher ins Schuhdesign hat Tim Bengel für die Marke Sioux unternommen: Er hat für den Schuhhersteller vegane Sneaker designt.