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Wenn ein Kind Drogen nimmt, geht es um das „Warum“

Sucht Ein Betroffener erzählt, wie er abhängig von Cannabis wurde und was ihm am meisten geholfen hat. Von Thomas Zapp

Kreis. Die teilweise Legalisierung von Cannabis hält Luca V. (Name geändert) grundsätzlich für richtig. „Wenn das Geld für die Strafverfolgung in die Aufklärungsarbeit gesteckt wird und nicht in irgendwelche Kreisverkehre, ist der Ansatz nicht verkehrt“, sagt er. Wirklich ändern werde sich aber nichts, denn längst gebe es andere Möglichkeiten: „Man muss nicht mehr zu einem Dealer gehen, heutzutage kann man alles über das Internet bestellen“, sagt der 32-Jährige.

Seine erste „Tüte“ hat Luca V. (Name geändert) bei einem Kumpel geraucht. 14 Jahre war er damals alt. Nachhaltig war die Cannabis-Premiere nicht: „Fast keiner hat etwas gemerkt, niemand hatte einen Flash“, erzählt er lachend. Man ließ es also vorerst bleiben, doch der Alkohol blieb ständiger Begleiter. „Der ist eigentlich am schlimmsten, Alkohol ist der Einstiegshelfer für andere Drogen“, sagt der heute 32-Jährige. Alkohol war für ihn schon als Zehnjähriger ein Thema. Heute weiß er warum: Es war die Gewalt zu Hause.

Fünf Bier und zwei bis drei Tüten

Er rauchte regelmäßig und kam wieder mit Joints in Berührung. Als er 18 war, sah ein typischer Abend am Wochenende aus: Fünf Bier und zwei bis drei Tüten. Das Level bis zum „high“ sein, erhöhte sich: Vom Wochenendkonsum rauchte er täglich. „Mindestens ein Gramm, das sind theoretisch fünf Joints“, sagt er.

Die Nebenwirkungen auf Luca waren fatal: „Ich hatte häufig Angstzustände“, sagt er. Jede Droge, die er nahm, machte etwas anderes mit seinem Kopf und seinem Körper. Der Alkohol machte ihn eher aggressiv, hinzu kamen mit den Jahren aber noch weitere Drogen: Amphetamine, Ecstasy und auch Kokain. „Mit Cannabis kam ich wieder runter, wenn nicht gerade die Angstzustände kamen“, sagt er. 

Eine zwischenzeitliche Beziehung holte ihn aus dem Cannabis-Konsum heraus: „Eine Freundin und Kiffen, das passte nicht.“ Doch die Beziehung ging zu Ende und er kam wieder auf den typischen Konsum. „Ich habe gemerkt, ohne Drogen ist es Mist, ich kann mich ohne sie nicht regulieren und in Gesellschaft sein.“

 

Du bist gut, so wie Du bist.
Luca V.
rät Eltern von Kindern mit Suchtproblemen, Verständnis zu zeigen

 

Herzrasen, schwitzige Hände, depressive Stimmungen: Luca suchte 2019 einen systemischen Therapeuten auf. Das war sein Glück: Er lernte, woher seine Ängste kommen: Vom aggressiven Vater, der im Krieg im ehemaligen Jugoslawien kämpfte, von der Mutter, die nicht wusste, wie sie ihm helfen sollte und von der familiären Gewalt selbst traumatisiert war. Der Therapeut kam ihm noch einen wichtigen Hinweis: „Der riet mir zur Drogenberatung hier.“

Aktuell hat Luca die Möglichkeit, wieder zu arbeiten. Er raucht und trinkt nicht, aber er ist nicht gefestigt: „Als ich eine Absage bekam, war ich kurz davor, wieder etwas zu nehmen.“ Aber dann fragte er sich: Was hat mir der Konsum beim letzten Mal gebracht? Vor allem psychische und soziale Probleme.

Das Schlimmste sei die Gewohnheit, das Suchtgedächtnis, aber er habe gelernt, darüber zu reden, das helfe ihm in kritischen Situationen. Sein Fazit: „Die Legalisierung sollte nicht für Menschen unter 21 stattfinden. Bis dahin ist das Gedächtnis noch nicht ausgebildet, kann Schaden nehmen. Ich weiß auch nicht, was die Drogen in meinem Kopf angerichtet haben.“

Luca konzentriert sich derzeit ganz auf seinen neuen Job, die Gespräche in der Beratung und die Möglichkeit, anderen Jugendlichen zu helfen. „Wenn durch dieses Interview hier nur einer zur Beratung geht, ist schon viel geholfen“, sagt er. Eltern rät er: „Wenn Sie mitbekommen, dass ihr Kind kifft, fragen Sie nach dem Warum: Geht es um Neugier oder Zugehörigkeit oder, oder...? Dabei sei es wichtig, ein gutes Verhältnis zum Kind zu haben.

Er spricht aus eigener Erfahrung: Seine Mutter war traumatisiert und hatte Angst: „Sie wusste, dass ich Drogen nehme, sie hatte aber Angst, dass ich abhaue, wenn sie mich drauf anspricht.“ Ganz wichtig sei: „Erstmal Verständnis aufbringen, nicht gleich mit Vorwürfen kommen.“ Kommunikation sei entscheidend – das habe er selbst erfahren.