Es war ein Unterschriften-Marathon, den die Vertreter von 40 Kommunen gestern im Wernauer Quadrium geleistet haben: Jede einzelne Gemeinde, jede einzelne Stadt hat sich damit als Gründungsmitglied des Zweckverbands Gutachterausschuss im Landkreis Esslingen verewigt. Von den 44 Kommunen im Kreis fehlen nur Esslingen, Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen und Ostfildern.
Die Marathon-Kilometerzahl, die 42, wurde also nur knapp verfehlt. Aber die verbliebenen vier Großen Kreisstädte könnten – wenn sie wollten – dem neuen Zweckverband jederzeit noch beitreten. „Die Türe ist nicht geschlossen. Wer will, kann kommen“, sagte Neuffens Bürgermeis ter Matthias Bäcker gestern am Rand der offiziellen Verbandsgründung. Er war derjenige, der den Verband federführend mit auf den Weg gebracht hat – als Leiter der Arbeitsgruppe, die die Verbandssatzung erarbeitet hat.
Unermüdlich hat er in den vergangenen Monaten auch Überzeugungsarbeit geleistet und etliche seiner Bürgermeisterkollegen im Kreis dabei unterstützt, den jeweiligen Gemeinderäten aufzuzeigen, was jede einzelne Kommune für Vorteile von diesem Zweckverband haben wird. Das wesentliche Argument für den Beitritt lautete: „Wenn Sie auch nach 2025 noch mit Grundsteuereinnahmen in Ihren Haushaltsplänen rechnen wollen, sollten Sie jetzt mitmachen.“
Rechtssichere Bodenrichtwerte, die ein Verwaltungsgericht künftig noch akzeptieren soll, müssen in Einheiten ermittelt werden, in denen sich jedes Jahr mindestens 1 000 Kaufverträge auswerten lassen. Der Bodenrichtwert ist ein wichtiger Bestandteil für die Berechnung der Grundsteuer. Gäbe es also einen berechtigten juristischen Grund, an diesem Wert zu zweifeln, wäre jeder Grundsteuerbescheid in Bälde hinfällig. Den Kommunen würden erhebliche Einnahmeverluste drohen.
Auf die magische Zahl von über 1 000 Kaufverträgen kommt als einzige Kommune im Landkreis die Stadt Esslingen. Deswegen hat sie sich von vornherein aus dem Zweckverband herausgehalten. Die drei Großen Kreisstädte auf den Fildern wollen vorerst so weitermachen wie bisher, heißt es in einer Pressemitteilung zur Verbandsgründung. Die Große Kreisstadt Kirchheim dagegen erreicht selbst in ihrer Verwaltungsgemeinschaft, zu der auch noch die Gemeinden Dettingen und Notzingen gehören, höchstens drei Viertel der geforderten 1 000 Kaufverträge pro Jahr, die für einen halbwegs objektiven Mittelwert sorgen sollen.
Der Zweckverband ist nicht gratis
Außer um die Grundsteuer geht es für die Kommunen auch darum, dass der Gutachterausschuss Grundstückswerte ermittelt. Zudem muss jede Kommune alle zwei Jahre ihre Bodenrichtwerte aufstellen. Häufig werden dafür externe Fachbüros beauftragt, heißt es in der Pressemitteilung. Honorare für solche Dienstleistungen entfallen also für Städte und Gemeinden, die nun dem Zweckverband beigetreten sind. Eine Einsparung bedeutet das freilich nicht: Auch den Zweckverband gibt es nicht gratis. Jede Kommune zahlt entsprechend ihrer Einwohnerzahl eine Umlage, um den Verband mit seiner Geschäftsstelle und seinen Mitarbeitern zu finanzieren.
Nach über zwei Jahren Vorarbeit – die sich wegen der Einschränkungen durch die Pandemie verzögert haben – ist mit den gestrigen Unterschriften ein Meilenstein erreicht worden. Heute in einem Monat, am 1. Juli, treffen sich erneut die Vertreter der 40 Kommunen aus dem Kreis Esslingen zur konstituierenden Verbandsversammlung in Nürtingen. An diesem Tag kann der Verband bereits seine Arbeit aufnehmen, und zwar unter Volldampf: Ein halbes Jahr später, zum 1. Januar 2022, müssen bereits die aktuellen Bodenrichtwerte erstellt sein. Im zweiten Halbjahr 2022 sind sie an die Finanzämter zu liefern. Es gibt also von Anfang an viel zu tun.