Kirchheim

Abgeordnete atmen auf

Migrationspolitik In stundenlangen Verhandlungen haben sich EU-Staatschefs jetzt auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt. Hiesige Regierungsvertreter stimmt das Ergebnis hoffnungsfroh. Von Anna-Leah Gebühr

So wie im Jahr 2015 im Landkreis Esslingen sieht es hier zwar nicht mehr aus, trotzdem sind Flucht und Vertreibung immer noch Th
So wie im Jahr 2015 im Landkreis Esslingen sieht es hier zwar nicht mehr aus, trotzdem sind Flucht und Vertreibung immer noch Thema Nummer eins. Archiv-Foto: Markus Brändli

Beim EU-Gipfel in Brüssel haben Staatschefs bis ins Morgengrauen verhandelt. Das Thema: Migrationspolitik. Im Unionsstreit in Deutschland gilt der Gipfel als Schicksalsstunde, denn die CSU macht daran ihre weitere Linie fest. Diese Entscheidung könnte bedeutende Auswirkungen auf ganz Deutschland haben. Geeinigt hat man sich auf sogenannte Ausschiffungsplattformen, die Flüchtlinge außerhalb der EU erfassen sollen, ebenso wie auf kontrollierte Zentren in der EU, alles auf freiwilliger Basis. Was sagen die hiesigen Bundestagsabgeordneten der Regierungskoalition dazu?

Der CDU-Vertreter Michael Hennrich zeigt sich zuversichtlich. Zwar müsse man noch die Umsetzung der Beschlüsse abwarten, doch er hofft, dass die Erklärung Verbesserungen bringt. Chancen sieht er auch im Unionsstreit: Die Ergebnisse des Gipfels seien „Leitplanken“, die CDU und CSU nun diskutieren müssten. Bis Montag könne man vermutlich eine abschließende Bewertung der Ergebnisse von den Schwesterparteien erwarten. Der erste Eindruck des Politikers ist jedoch gut - er glaubt, es wurde viel bewegt.

Einen Bruch der Union kann er sich nicht vorstellen: Nach 70 Jahren gemeinsamer Gestaltung der Bundesrepublik steht viel auf dem Spiel. Hennrich hofft, dass sich alle das „hohe Maß an Verantwortung“ gegenüber Deutschland und Europa bewusst machen.

Wichtig findet der CDUler, dass sich die Staaten der Europäischen Union auf ein einheitliches Asylsystem einigen, etwa durch Standards zu sicheren Herkunftsländern. Er ist der Meinung, dass Ausschiffungsplattformen das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl gewährleisten. Doch auch hier müsse eine EU-Linie her.

Allen Plänen zum Trotz gibt es noch einige Unklarheiten. Das liege unter anderem daran, dass so kurz nach dem Gipfel noch wichtige Dokumente und Informationen fehlen. So ist dem Abgeordneten die rechtliche Situation in den Ausschiffungsplattformen noch nicht klar. Sicher sei, dass in den kontrollierten Zentren auf EU-Boden auch das EU-Recht gilt, doch für Zentren außerhalb der EU sehe er noch Punkte, die geklärt werden müssten.

Bis zu einem einheitlichen Asylrecht sei es immer noch ein langer Weg. Michael Hennrich erwartet weitere schwierige Debatten, unter anderem über die Freiwilligkeit, auf der die Gipfelerklärung bislang basiert, wie auch über Finanzierungsfragen. An dieser Frage würde sich zeigen „ob Multilateralismus ein Erfolgsmodell ist“. Eine verbindliche Lösung mit Quotenregelung wäre ihm zwar lieber gewesen, aber diese sei schwer zu erreichen. Daher sieht er den Gipfel als Etappenziel.

Auch Dr. Nils Schmid, Bundestagsabgeordneter der SPD, ist mit dem Ausgang des Gipfels zufrieden. Es sei ein „gutes Ergebnis“ erreicht worden. Die Gipfelerklärung „zeigt, dass die EU auch bei schwierigen Themen handlungsfähig ist“. Er zieht eine europäische Lösung einem nationalen Lösungsansatz vor.

Jetzt sei es entscheidend, den Gipfelvertrag umzusetzen. Bei den geplanten Ausschiffungsplattformen kommt es ihm auf die Gestaltung an. Die Rechtsstaatlichkeit müsse gewährleistet sein. Es gilt, verantwortliche internationale Organisationen einzubeziehen, allen voran die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR. Das Asylrecht sieht Schmid nicht in Gefahr, da es im Völkerrecht verankert ist und somit universell gilt.

Die Ausschiffungsplattformen seien eine Maßnahme zur Sicherheit Geflüchteter. So könne verhindert werden, dass Asylbewerber sich in die Hände von Schleppern begeben, um den oft lebensbedrohlichen Weg über das Mittelmeer zu wagen.

Die freiwillige Basis, auf der die Gipfelerklärung gebaut ist, ist für ihn eine pragmatische Lösung. Die Diskussion über eine Quotenregelung sei „eine Sackgasse, deshalb hat sich zwei Jahre nichts getan“. Wichtig sei, die Interessen der Anrainerstaaten zu bedenken, um eine „einseitige Belastung“ zu vermeiden. Dies sei mit „flexibler Solidarität“ zu erreichen.