Kirchheim

Absolutes Rekordtief, der tiefste Ton der Welt

Rockfestival An den Hosenbeinen spürt man ihn zuerst. Dann bahnt sich der Bass seinen Weg in die Magengrube.

Absolutes Rekordtief, der tiefste Ton der Welt
Absolutes Rekordtief, der tiefste Ton der Welt

Kirchheim. Die Metalband „Way to Bodhi“ aus Stuttgart hält den Weltrekord für tiefe Töne. Gut 100 Besucher gaben sich der Erfahrung hin, auf dem Rockfestival „Beinhard Volume 11“ in der Kirchheimer Linde. Die Schmerzfreien unter ihnen standen dicht an den vier Subbässen, die Way to Bodhi eigens aufgestellt haben, vier Mal 2000 Watt.

Das Geheimnis hinter dem Rekordton ist etwa einen halben Zentimeter dick und silberfarben. Eine Spezialsaite, doppelt so dick wie die dickste Saite einer herkömmlichen Bassgitarre, erzeugt das tiefe H. Und der Hals des Instruments ist gut zehn Zentimeter länger als üblich – eine Spezialanfertigung, über die nicht nur der Hersteller staunte. „Das muss der tiefste Ton der Welt sein. Lasst das doch mal nachmessen.“ Gesagt, getan. Die Forscher der Universität Stuttgart bestätigen das Alleinstellungsmerkmal per Zertifikat.

„Way to Bodhi“ heißt so viel wie „Weg zur Erleuchtung“. Ihr Auftritt war die letzte und wohl heftigste Dröhnung an einem Abend im Zeichen von Rock und Metal. Für „Beinhard Volume 11“ folgten neben Headliner Way to Bodhi drei weitere Bands dem Ruf aus Kirchheim: die Karlsruher Hardcore-Band Trapped, die Progressive-Metal-Band Halifirien aus Kirchheim und Taste of Chaos, eine Metalcore-Band aus Stuttgart.

Wer sich unter Metal-Fans grimmige, langhaarige Nerds vorstellt, wird an diesem Abend enttäuscht: Freundliche Gesichter, wohin man blickt, manch einer trinkt Apfelsaftschorle statt Bier und Frauen in Stiletto-Stiefeln feiern genauso selbstverständlich mit wie ältere Herren im Bandshirt.

In neongelben Kapuzenpullovern und weißen Malerhosen stehen die Rocker von „Way to Bodhi“ auf der Bühne, allein die Sängerin trägt Schwarz. Ihre Gesichter verstecken sie hinter weißen Halbmasken vom Typus „Phantom der Oper“, ihre wahren Namen hinter Fantasiekürzeln. Nicht, um Angst einzujagen, sondern als künstlerisches Statement: „Eine Anspielung auf die Tradition des griechischen Dramas“, erklärt Gitarrist MP, „die Leute sollen uns nicht anstarren, sondern genau hinhören.“

Seit 2011 gibt es „Way to Bodhi“ schon, und sie spielen heute zum zweiten Mal in der Linde – diesmal in neuer Konstellation. Alle vier haben normale Berufe, die Musik ist ihre Leidenschaft. Das hat Vor- und Nachteile. Bassist Buzz bringt es auf den Punkt: „Vorteil Geld, Nachteil Zeit.“ Ein Tag im Leben eines Bandmitglieds fängt schon mal um sechs Uhr morgens an und endet um ein Uhr nachts. Anders lassen sich Brotjob und Bandproben nicht vereinbaren. À propos Proben: Die finden in einer Art Bunker in Stuttgart Mitte statt. „Ein Raum unter einem Keller ohne Nebenräume“, sagt Gitarrist MP, „damit möglichst wenig nach draußen dringt. Nachts können wir trotzdem nicht spielen, das wäre zu laut.“

Vor drei Wochen haben sie die Band-Karten neu gemischt – zwei Bandmitglieder traten aus Zeitmangel ab, Frontfrau Gezz und Bassist Bazz kamen neu hinzu. Zueinander gefunden haben sie über Kontakte – die Szene ist gut vernetzt. Eine Gesangslehrerin hat Gezz als „Shouterin“ empfohlen; so nennt man die Sängerin einer Metal-Band, weil Schreien hier Schlüsselqualifikation ist. Schnell war klar: Die schreien nicht nur gut miteinander, sondern verstehen sich auch abseits der Bühne prima. Beim Interviewtermin treten „Way to Bodhi“ wie eine kleine Familie auf, später werden sie gemeinsam zurück nach Stuttgart fahren.

Vorher bauen sie ab, laden ihr Equipment ins Auto und verhandeln mit einem Booker, der eine Tour mit ihnen plant. Im Frühjahr wollen sie mit ihrem Rekordton durch Europa reisen – um eines Tages auf den großen Festivals zu spielen.Ana-Marija Bilandzija