Kirchheim
Ältere hängen am Eigenheim

Wohnen Im Alter ausziehen, das kommt für die wenigsten Häuslebesitzer infrage. Junge Familien sehen deshalb häufig alt aus. Von Antje Dörr

In das Haus hast du doch so viel Arbeit gesteckt, wie kannst du das verkaufen?“ Solche oder ähnliche Sätze hat Wolfgang W. noch immer in den Ohren, wenn er davon erzählt, wie er sich von seinem Einfamilienhaus trennte, nachdem zunächst die Kinder und später seine Frau ausgezogen waren. Der 75-Jährige ist ein pragmatischer Mensch, der versucht, seine Situation nüchtern zu betrachten. „Ein Haus alleine zu bewohnen ist einfach unwirtschaftlich“, sagt Wolfgang W., auch der Garten sei ihm irgendwann zur Last geworden. Er wünschte sich mehr Zeit für seine Hobbys. Also bewarb er sich für ein Apartment im Betreuten Wohnen eines begehrten Heims. Als er eine Zusage bekam, leitete er den Umzug in die Wege und beauftragte einen Makler. Im Nachhinein keine Minute zu früh: Eine Woche vor dem Umzug streikte plötzlich der Rücken, Wolfgang W. konnte nicht mehr laufen. Ein eingeklemmter Nerv hatte seinen Oberschenkel lahmgelegt. Operieren ist nicht möglich, weil Wolfgang W. dauerhaft Blutverdünner einnehmen muss. Seitdem ist er auf einen Rollator angewiesen – und er ist froh, dass er sich rechtzeitig gekümmert hat.

 

Ein Haus alleine zu bewohnen ist einfach unwirtschaftlich.
Wolfgang W.
Der 75-Jährige hat sein Haus gegen Betreutes Wohnen getauscht.
 

Mirko Mosenthin ist der Immobilienmakler, der das Haus des Ruheständlers verkauft hat. Er weiß aus Erfahrung: Menschen wie Wolfgang W. sind die absolute Ausnahme. „Wenn ich mir überlege, wie viele ältere Menschen es in Deutschland gibt und wie klein die Zahl meiner Kunden ist, die sagt, sie möchte sich verkleinern, dann passt das überhaupt nicht zusammen“, sagt der Kirchheimer.

Junge Familien schauen in die Röhre

Dass die allermeisten Älteren in ihrem Eigenheim wohnen bleiben wollen, ist nicht nur für sie selbst mit Risiken behaftet, wie Wolfgang W.’s Beispiel zeigt. Es ist auch ein Problem für junge Familien, die häufig länger als gedacht in beengten Verhältnissen leben müssen, weil sie an der Häusersuche scheitern. Mirko Mosenthin windet sich ein wenig, wenn er über diesen Zusammenhang spricht. „Man kann die Menschen nicht zwingen, zu verkaufen, das wäre schlimm“, sagt Mosenthin. Die meisten hätten eine emotionale Bindung an ihr Eigenheim, weil sie dort beispielsweise die Kinder großgezogen hätten. Häufig wohnten die Bekannten in der Nähe. Gleichzeitig hält er es nicht für sinnvoll, immer neue Baugebiete auszuweisen, um Wohnraum zu schaffen. „Wenn ich die ökologische und politische Lage anschaue, müssen wir alle grüner und nachhaltiger werden“, sagt er.

Mirko Mosenthin rät dazu, die eigene Situation nüchtern zu betrachten und einen Plan B zu entwickeln, solange es die Möglichkeit gibt. „Viele sagen: ,Noch kann ich ja   … ’“, sagt der Makler. „Aber wenn du einen Unfall hast oder krank wirst, müssen Entscheidungen unter Druck und Stress getroffen werden. Und das häufig von anderen“. Häuser altersgerecht umzubauen sei wirtschaftlich nicht sinnvoll. „Bäder umzubauen und Treppenlifte zu installieren kostet viel Geld. Und wenn man das Haus dann irgendwann verkauft, schlägt das negativ zu Buche, weil der Käufer alles wieder rausreißen muss.“ Der Kauf einer Wohnung sei eine Option, bevorzugt mit Hausmeisterservice. Neue Wohnkonzepte wie das Hallenbad-Quartier, in denen junge Familien, Studenten und Ältere zusammenleben, findet Mosenthin ideal  – zumindest dann, wenn man kein Problem mit Kinderlärm hat. „Die meisten älteren Menschen freuen sich doch, wenn ein bisschen was los ist“, sagt er. Einer seiner Kunden möchte sein Haus noch behalten, kauft sich aber jetzt eine Wohnung für den Fall, dass er das Haus nicht mehr unterhalten kann. „Das ist eine gute Lösung, aber natürlich kann sich das nicht jeder leisten“, sagt Mosenthin.