Kirchheim
Aktion: „Mit Tanzen ein Problem sichtbar machen“

Demo Die „Frauenliste“ setzt in Kirchheim mit „One Billion Rising“ ein Zeichen gegen Gewalt an Mädchen und Frauen. Von Helga Single

Kirchheim. Es ist ein jährliches Ritual: Mit einstudierten Tänzen und Choreographien machen auf der ganzen Welt Frauen und Mädchen auf das Problem von Gewalt gegen Frauen aufmerksam. Die Aktion nennt sich „One Billion Rising“, „eine Milliarde erhebt sich“ und setzt ein Zeichen gegen Gewalt an Mädchen und Frauen, die zu den meistverbreiteten und verheerendsten Menschenrechtsverstößen weltweit zählt.

Schätzungen zufolge haben 35 Prozent aller Frauen irgendwann in ihrem Leben Gewalt erlitten, in manchen Ländern beträgt dieser Anteil sogar 70 Prozent. Nicht nur körperliche Gewalterfahrungen gehörten dazu, sondern auch die alltägliche Gewalt, die sich in Herabwürdigungen und Belästigungen zeigte. Mädchen und Frauen fühlten sich in der Öffentlichkeit nicht mehr sicher. 

In Kirchheim sensibilisiert die „Frauenliste“, die seit 2018 die Veranstaltung initiiert, viele Menschen dafür. Von 2004 bis 2019 nahmen sie Einfluss auf die Kommunalpolitik und ihre Vertreterinnen saßen im Gemeinderat. „Wir sind noch immer aktiv, nur nicht mehr im Gemeinderat“, erläuterte Susanne Knauer, eine der Aktivistinnen. Sie setzten sich auch weiterhin für die Belange der Frauen ein. Zu „Break the Chain“, schwangen auf der Lauterbrücke Hunderte, überwiegend Frauen, ihre Hüften. In den Schulen im Sportunterricht oder in Sportvereinen war die Choreographie zuvor einstudiert worden. Einige Männer zeigten sich solidarisch und tanzten mit oder mischten sich spontan unter das tanzende Volk.

„Wir haben immer Unterstützung erfahren und sind auf gute Resonanz gestoßen“, erklärte Eva Frohnmeyer-Carey von der Frauenliste. „Sei es von den Vereinen, Schulen oder aus dem Rathaus, wo wir Transparente aus den Fenstern hängen durften und Strom bekommen haben“, erklärte sie. Eine Plakataktion, die die Brisanz des Themas sichtbar machte, unterstützte die Aktion. Hierzu hatten Mitarbeiterinnen der Schulsozialarbeit im Rauner- Campus Schülerinnen der Klassen 6 bis 10 befragt, wo es für sie „Unwohlplätze“ in Kirchheim gebe. Es waren die dunklen und unübersichtlichen Stellen, die ihnen Angst einflößten. Dazu zählte die Unterführung vom Bahnhof zum Ludwig- Uhland- Gymnasium, der Rambouillet- Platz, der Postplatz, die Fußgängerzone und das Schwesternwohnheim vor allem bei Dunkelheit. Besonders, wenn die Mädchen auf zusammengerottete Männer- und Jungengruppen stießen, stieg ihr Unbehagen deutlich.

Genauso erging es den Seniorinnen Hannelore Kurz und Gisela Maier aus Kirchheim, die besonders beim S- Bahnfahren aufpassten. „Ich steige in keine leeren Waggons und achte darauf im Wagen hinter dem Zugführer einzusteigen“, sagte Hannelore Kurz, ganz besonders, nachdem sie einmal in einem Bus exhibitionistische Erfahrungen machen musste. Alle Frauen sollten sich überall sicher fühlen, wenn sie unterwegs seien, meinten sie. Die Politik, Polizei und Ordnungsamt stünden in der Verantwortung.