Kirchheim
„Alarmstufe Rot beim Klimawandel“

Klimakrise Es war ein alarmierender Titel, unter dem die Podiumsdiskussion in Kirchheim stand. Doch bei den Gesprächsteilnehmern zeigte sich nur wenig kontroverse Angriffsstimmung. Von Sylvia Horlebein

Wir sind wütend!": Mit diesen Worten eröffnete Günther Kern von der Attac-Gruppe Kirchheim die Podiumsdiskussion "Alarmstufe Rot beim Klimawandel" in der Aula der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule in Kirchheim. Doch so richtig wütend wirkte keiner. Vielleicht lag es daran, dass die Veranstaltung vorverlegt werden musste. Anstatt um 19.30 Uhr traf man sich schon um 17.30 Uhr, denn der Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz hatte noch einen anschließenden Termin und musste pünktlich um 19 Uhr gehen. Vielleicht lag es auch an den mager besetzten Reihen, dass dem Ärger über verschlafene Maßnahmen, der anhaltenden Vogel-Strauß-Taktik in der Politik oder den verfehlten Zielen aus der Vergangenheit nicht so richtig Luft gemacht wurde.

 

Der Staat braucht das Geld für andere Dinge.
Jörg Nolle
Der Klimaaktivist ist gegen die finanzielle Förderung privater Solaranlagen.

 

An den teilnehmenden Gästen hätte es nicht liegen dürfen. Gleich vier Hochkaräter saßen vor den Zuhörern und versuchten ihre Sicht und ihr fundiertes Wissen mitzuteilen. Da saßen Maike
Schmidt, die Vorsitzende im Klimasachverständigenrat BW, Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen Landtagsfraktion, Jörg Nolle, Klimaaktivist der letzten Generation, und als Moderator Heinrich Brinker von der Attac-Gruppe Kirchheim. Genügend Potenzial und Zündstoff, um der Aula einzuheizen, doch das passierte leider nicht. Nolle versuchte zwar immer wieder mit provokanten Fragen die Gruppe zu animieren, aber das Programm ließ das leider nicht zu. So verging die erste Stunde mit viel Theorie, interessant zwar, aber weit weg von einer Diskussion. Schwarz erläuterte detaillierte Punkte des Klimaschutzgesetzes 2023 von Baden-Württemberg, Schmidt erklärte die Herangehensweisen des Klimasachverständigenrats und Brinker verteilte die Rederollen und stellte die eine oder andere kritische Frage.

Lediglich kleinere Dispute

Doch kleine Dispute gab es. So waren sich Schmidt und Nolle überhaupt nicht einig, als es um die Autobahnen ging. Während der Klimaaktivist wenig von den Autobahnen hält, sieht Schmidt in der bestehenden, maroden Infrastruktur ein Hemmnis für den Klimaschutz. Wie kann es sein, dass die einzelnen Teile für eine Windkraftanlage nur selten transportiert werden können, weil die meisten Brücken in Deutschland zu marode sind, um den sicheren Transport zu gewährleisten? Wie wollen wir die Ziele erreichen, wenn wir zu langsam sind, um die Grundvoraussetzungen zu schaffen? Dazu schweigt Nolle, macht jedoch klar, dass der Landkreis Esslingen der schlechteste Landkreis von allen schlechten Landkreisen ist. Nur neun Windkrafträder wurden im letzten Jahr aufgestellt, eine viel zu geringe Zahl, um den Klimawandel zu stoppen. Umkehren lasse sich mit dieser Geschwindigkeit gar nichts.

Doch Schwarz lässt diese Aussagen nicht auf sich sitzen und verweist immer wieder auf die Maßnahmen, die umgesetzt werden müssen. Solaranlagen auf jedem Neubau und auf den Gebäuden des Landes, sogar Solaranlagen auf dem Bestand.

Doch reichen diese Maßnahmen? Schmidt und Nolle bezweifeln das und auch Brinker ist skeptisch. Was nutzen die besten Ziele, wenn es keine Etappenziele gibt? Wenn zwar das Ziel definiert ist, aber der Weg völlig unklar? Was passiert, wenn der Klimasachverständigenrat in seinem Bericht deutlich macht, dass der Weg der Falsche ist?

Fragen, auf die es in dieser Runde nicht immer Antworten gibt. Auch die Gäste stellen Fragen und bringen Nolle kurzfristig in Wallung, als ein Zuhörer die Meinung vertrat, dass der Staat die Solaranlagen auf den Dächern der Privathäuser gefälligst zu subventionieren hätte. "Es ist eine Unverschämtheit, dass der Staat etwas subventionieren soll, das sich nach spätestens zwölf Jahren von allein amortisiert hat.", wettert Nolle und setzt nach: "Der Staat braucht das Geld für andere Dinge!" Als Christian Siller, ein 74-jähriger Holzfachmann aus Hattenhofen sich für das Verheizen von Holz stark macht, ist Nolle dann sogar sichtlich geschockt. Doch Siller verteidigt sein Vorgehen, "Es wird ja doch mit Holz geheizt, da sollte es wenigstens richtig gemacht werden!" und bietet Informationen und einen Heiz-Leitfaden an. Antworten will Siller keine, im Gegenteil, wütend über die vielen Gespräche, die doch nichts bringen, redet er sich in Rage und ist kaum zu bremsen.

Am Ende der Podiumsdiskussion sind alle um viele Informationen reicher, aber auch etwas frustriert. Die erhofften Antworten und Lösungen waren spärlich. Doch die abschließenden Worte von Schmidt stießen auf große Zustimmung. Vernachlässigter Klimaschutz ist gleichbedeutend mit schlechter Gesundheitsvorsorge.

 

Weitere Termine des Begleitprogramms Klimafasten

Donnerstag, 16. März, um 19.30 Uhr in der Auferstehungskirche: „Gerechtigkeit schaffen für die Armen und für die Schöpfung“

Freitag, 17. März, um 19 Uhr im Gemeindehaus St. Ulrich: „Dein Dach kann mehr- Sonnenstrom selbst erzeugen und nutzen“

Montag, 20. März, um 19.30 Uhr im Gemeindehaus St. Ulrich: „Deutschland 2050- Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“

Mittwoch, 29. März, um 19 Uhr in der Buchhandlung Zimmermann, Nürtingen: Lesung mit Ulrike Herrmann „Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind- und wie wir in Zukunft leben werden“  hobe