Kirchheim

Alkohol führt zu unbändiger Aggression

Prozess Schöffengericht verurteilt einen 27-Jährigen wegen sexueller Nötigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einem Jahr und sechs Monaten – ohne Bewährung. Von Andreas Volz

Symbolfoto: Jean-Luc Jacques

Zwei Taten werden einem 27-Jährigen vor dem Kirchheimer Amtsgericht vorgeworfen: Im ersten Fall geht es um sexuelle Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, Bedrohung und Belästigung. Im zweiten Fall geht es um Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung. Was sagt der Angeklagte dazu? Er räumt ein, zur entsprechenden Zeit vor Ort gewesen zu sein. Aber etwas Falsches gemacht hat er natürlich nicht.

Für ihn scheint es völlig normal zu sein, kurz nach 4 Uhr morgens einer Bekannten vor deren Wohnung aufzulauern, um sie zur Rede zu stellen, weil sie den Kontakt reduziert hat. Mehr hat er nicht getan: Er hat sie nicht belästigt, er hat nicht versucht, ihr zwischen die Beine zu fassen, er hat sie nicht gebissen, nicht gewürgt, er hat ihr keine gewaltsamen Zungenküsse verabreicht. Das einzige, was es gab: Er hat sie heftig an den Armen gepackt - um sie zu beruhigen.

Zwei Jahre Beziehung?

Das alles hat sich am 11. März abgespielt. Ein Zeuge, den das 35-jährige Opfer zwischendurch zu Hilfe gerufen hatte, will dem Angeklagten übel mitspielen, weil er seinerseits an der Frau interessiert ist und den Angeklagten durch seine Aussage nur aus dem Weg räumen will. Dass die Frau gar nicht mit ihm sprechen wollte, kann der 27-Jährige auch nicht nachvollziehen. Er will immerhin zwei Jahre lang eine Beziehung mit ihr gehabt haben - mit gewissen Höhen und Tiefen zwar, aber doch stabil und gegen Ende sogar „immer besser“.

Die 35-Jährige sagt jedoch, sie habe nach einem anderen Vorfall den Kontakt zum Angeklagten stark eingeschränkt, nachdem er sie damals mehrfach geohrfeigt hatte. Auch dieser Fall war vor Gericht gelandet. Außerdem wird der Angeklagte in Kirchheim in Handschellen vorgeführt, weil er derzeit wegen eines zusätzlichen Vorfalls in Untersuchungshaft sitzt.

Sie hat den Kontakt nie ganz abgebrochen - aus Angst

Ganz abgebrochen habe sie den Kontakt jedoch nicht. Sie habe regelmäßig auf Handy-Nachrichten geantwortet. Dadurch wollte sie verhindern, dass er vor lauter Wut komplett ausrastet. Er sei nämlich über die Maßen aggressiv, und zwar immer dann, wenn er Alkohol getrunken hat.

Getrunken hatte er wohl auch beim zweiten Vorfall, in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli: Da kam er in die Kirchheimer Bar, in der seine 35-jährige Bekannte an Wochenenden im Nebenjob bedient. Er bestellte sich ein Bier, trotz Hausverbots. Der Inhaber der Bar nahm ihm das Bier deswegen nach zwei Minuten wieder weg und sagte, er solle das Lokal verlassen. Im Gerichtssaal erzählt der Angeklagte immer wieder, dass er nichts vom Hausverbot gewusst hätte. Der Wirt jedoch sagt kurz und sachlich, dass dieses Hausverbot sogar schriftlich festgehalten sei, in einem früheren Gerichtsurteil.

Dass im Außenbereich der Gaststätte ein Tisch zerstört wurde und dass anschließend jemand einen Stuhl durch eine Scheibe geworfen hat, dazu äußert sich der Angeklagte nicht. Er selbst jedenfalls hat das nicht gemacht. Zeugen, die ihn beobachtet haben und die ihn ganz eindeutig belasten, ignoriert er: „Die kennen sich ja alle untereinander.“ Also haben sich auch diese Zeugen gegen ihn verschworen.

Angeklagter will sich nicht entschuldigen

Als ihm sein Verteidiger zu verstehen gibt, dass sich gerade ein günstiger Moment ergäbe, sich wenigstens nachträglich noch im Gerichtssaal zu entschuldigen, lehnt er das ab. Wofür auch? Er hat ja nichts getan.

Das Schöffengericht, die Staatsanwältin und sogar der Verteidiger sehen das anders: Für sie sind die Zeugen allesamt glaubwürdig. Lediglich über die Strafzumessung sind sie unterschiedlicher Meinung. Der Verteidiger fordert - wenn auch ohne große Überzeugungskraft -, eine Bewährungsstrafe. Das Gericht lässt sich darauf nicht ein und verurteilt den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten: ohne Bewährung.

In der Urteilsbegründung geht Strafrichterin Franziska Hermle-Buchele auch auf den anderen Kulturkreis ein, dem der Angeklagte entstammt, stellt dazu aber klar: „Gewalt gegen Personen oder Sachen ist sicherlich auch in Gambia nicht vom Gesetz gedeckt.“