Kirchheim
Am Herd über Frauen in der Politik diskutieren

Frauenkulturtage Nichts anbrennen ließen die Frauen des Grünen-Ortsverbands Kirchheim beim gemeinsamen Kochen: Es ging um kleine Kinder und Politik. Zum Nachtisch konnten sie sogar das 100. Mitglied begrüßen. Von Thomas Zapp

Weiblich, politisch und am Gemüseschnippeln: Warum nicht? Aber als sie am gedeckten Tisch in gemütlicher Runde vor dem dampfenden Teller Minestrone Platz nimmt, gesteht Gundula Folkerts ihre Zweifel: „War das nicht doch zu viel Klischee?“ Doch die 15 Gäste – alle weiblich und nicht nur Grünen-Mitglieder – verneinen vehement: Die Küche in der Kirchheimer Eventlocation „Linksambach“ war genau richtig, um über Frauen in der Politik zu plaudern. Gemeinsam mit Vorstandskollegin Özgül Altunkas-Raichle aus dem Kirchheimer Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen hat Gundula Folkerts diesen Abend im Rahmen der Frauenkulturtage „Wir lassen nichts anbrennen“ genannt.

Kreisrätin Franziska Fahrion kann einiges dazu erzählen, denn die 34-Jährige „brennt“ für ihre Themen nachhaltige Entwicklung und Müllentsorgung. Aber seit die Energieingenieurin vor einem Jahr Mutter einer Tochter geworden ist, fällt es ihr schwer, mittags an einer Ausschusssitzung teilzunehmen. „Die Großeltern sind noch berufstätig und mein Mann ist selbstständig“, sagt sie. Ihre Tochter ist dafür schon sehr krabbelfreudig – sie mitzunehmen und dann eine engagierte Rede zu halten, sei ihr nicht möglich. Videoübertragungen würden das Problem lösen, aber was in der Corona-Zeit noch möglich war, sei es jetzt nicht mehr. „Und der Abfallkalender, warum gibt es den nur gedruckt und nicht digital?“, sagt die junge Politikerin. Politik im Kreistag mache ihr Spaß, es sei beeindruckend, wie viel dort gearbeitet werde. Das würde nur nicht immer rübergebracht. „Es wäre wichtig, dass es auch sichtbar ist.“ Auch ein Social-Media-Account für die Abfallbetriebe, damit auch junge Leute wissen, wie richtig getrennt wird – das fände sie gut.

Über Politik und Digitales kann auch die Kirchheimer Gemeinderätin Anja Hezinger erzählen. Über den Kampf gegen die Nordwest-Tangente Anfang der 2000er-Jahre in die Kommunalpolitik gekommen, wunderte sie sich anfangs nicht nur darüber, dass „alle Entscheidungen so lange dauerten“. Sondern auch darüber, dass sämtliche Sitzungsunterlagen noch ausgedruckt und zu den Mitgliedern des Gemeinderats nach Hause gebracht wurden – bis 2016. Als Mutter eines mittlerweile 16-jährigen Sohnes konnte sie das politische Engagement mit dem Privatleben dank der Hilfe ihres Mannes gut verbinden. Auch ihr Sohn ist politisch interessiert, weigert sich aber mittlerweile, mit seiner Mutter in die Stadt zu gehen. „Ich komme einfach nicht weiter, schwätze mich an jeder Ecke fest“, erzählt sie lachend. Dieses „Opfer“ muss sie für die Politik in Kauf nehmen – und tut es gerne. 

Für lange Sitzungen gewappnet

Ebenso Stadträtin Sabine Lauterwasser, die seit 2014 im Gemeinderat sitzt und stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Mitglied in technischen Ausschüssen für Infrastruktur oder städtischen Wohnbau ist. Obwohl sie gelernte Kinderkrankenschwester ist, macht ihr die Arbeit Spaß. „Ich schaue die Baupläne eben unter dem Aspekt an, wie es ist, dort zu arbeiten“, sagt sie. Und lange Sitzungen machen ihr auch nichts aus: „Ich habe in Nachtschichten auf der Neugeborenen-Intensivstation gearbeitet.“

Durchhaltevermögen empfiehlt auch die langjährige Grünen-Stadträtin Sabine Bur am Orde-Käß, vor allem bei den informellen Treffen nach den Gemeinderatssitzungen in einem bestimmten Raum im Rathaus: „Wir ließen uns nicht die Butter vom Brot nehmen und sind immer bis zum Schluss dabeigeblieben.“ Mit Erfolg: Die Grünen-Fraktion ist heute die zweite große Fraktion im Gemeinderat und in der Mehrheit weiblich besetzt.

Gast Annika Wägenbauer hat der Abend überzeugt, nicht nur wegen des leckeren Schokoquarks zum Dessert: Sie lässt nichts anbrennen und wird Mitglied Nummer 100 im Ortsverein.