Kirchheim
An Silvester hieß es in Nabern: „Abwasser marsch“

Stilllegung In Nabern ist nach rund 60 Jahren eine Ära zu Ende gegangen: Das Klärwerk Bissingen-Nabern hat den Betrieb eingestellt. Das Abwasser fließt jetzt durch einen neuen Kanal nach Wendlingen. Von Andreas Volz

Zum „Umschiebe-Silvester“ hatten Kirchheims Ortsteil Nabern, die Gemeinde Bissingen sowie der Zweckverband Gruppenklärwerk Wendlingen (GKW) eingeladen – eine ungewöhnliche Idee: Auch wenn alle Menschen an 365 oder gar 366 Tagen im Jahr darauf angewiesen sind, dass die Arbeit im Klärwerk ebenso einwand- wie reibungsfrei funktioniert, würde wohl niemand auf die Idee kommen, sich an Silvester ausgerechnet dort zu einer Feierstunde zu treffen. Auch das gemeinsame Gläschen Sekt im Anschluss würde man ganz klar mit dem Datum verbinden, nicht aber mit dem Ort des Treffens.

Der Grund, sich an der „Noch-Kläranlage Bissingen-Nabern“ zu treffen, wie es Naberns Ortsvorsteher Giacomo Mastro eingangs formulierte, war folgender: Bissingen und Nabern sind die jüngsten Mitglieder des Zweckverbands Gruppenklärwerk. Das gemeinsame eigene Klärwerk, das in die Jahre gekommen war, wird nicht mehr benötigt, weil seit dem „Umschiebe-Termin“ sämtliches Abwasser aus Bissingen – ohne Ochsenwang – und Nabern nach Wendlingen fließt. Voraussetzung dafür war der Bau eines 2,2 Kilometer langen Abwasserkanals, der von Nabern aus unter der Autobahn hindurch in Kirchheims Kernstadt führt.

Überwiegend liegt dieser Kanal auf – oder besser unter – Dettinger Markung. Deswegen lobten alle Redner den großen Anteil der Gemeinde Dettingen am Zustandekommen der Kooperation zwischen GKW sowie Bissingen und Nabern: Ohne den unermüdlichen Einsatz im Dettinger Rathaus hätte sich das Projekt technisch nicht umsetzen lassen.

Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader stellte fest: „Man feiert ja eher Eröffnungen als Stilllegungen. Deswegen ist dieser Termin auf den ersten Blick zwar seltsam, aber er ist trotzdem sinnvoll.“ Die Ertüchtigung der 60 Jahre alten Kläranlage in Nabern wäre nur mit einem enorm hohen Aufwand möglich gewesen. Beim Abwasser sei ein umgekehrter Trend zur Energieversorgung zu beobachten: Ein zentrales Klärwerk wie in Wendlingen sei nicht nur wirtschaftlicher und nachhaltiger, es sorge auch für eine bessere Wasserqualität. Zuständig sei es für ein Einzugsgebiet, zu dem gut 200 000 Einwohner gehören.
 

„Bleibendes für viele Generationen“

Auch Bissingens Bürgermeister Marcel Musolf hält es für wichtig, „in größeren Dimensionen zu denken“. Zur Abschaltung der alten Kläranlage sagte er: „Mit diesem Infrastrukturprojekt schaffen wir Bleibendes – für ganz viele Generationen nach uns.“ Damit bezog er sich auch auf die geplante Nachnutzung des Geländes: „Mit unseren Regenüberlaufkapazitäten waren wir in Bissingen und Nabern bislang im Defizit.“ Das soll sich im nächsten Bauabschnitt des Projekts ändern: Nach Aufgabe der Kläranlage sind dort genügend Möglichkeiten vorhanden, um Regenwasser zurückzuhalten.

In seiner Eigenschaft als GKW-Verbandsvorsitzender sprach Wendlingens Bürgermeister Steffen Weigel ebenfalls von den großen Vorteilen des Zweckverbands, der 1961 gegründet worden war, damals von und mit neun Kommen: Aufgaben und Auflagen seien stetig gewachsen – zunächst durch die biologische, später durch die chemische Reinigung. Seit 2017 werden in der vierten Reinigungsstufe unter anderem auch Rückstände von Medikamenten aus dem Abwasser gefiltert. „Für eine einzelne Kommune wäre das alles gar nicht mehr leistbar, finanziell wie personell.“ Um das zu unterstreichen, nannte er einige Zahlen: „Unser Verband hat inzwischen 32 Mitglieder. 17 der 18 Kläranlagen, die wir im Landkreis Esslingen betreiben, sind in unserem Eigentum. Wir beschäftigen mehr als 100 Mitarbeiter.“ Wenn jede Gemeinde stattdessen eigenes Fachpersonal bräuchte, wäre das heutzutage gar nicht mehr zu stemmen.

GKW-Geschäftsführer Rainer Hauff ergänzte, dass nun 3 000 Einwohner aus Bissingen und 2 000 aus Nabern ans Gruppenklärwerk angeschlossen sind. Die Kosten für die Arbeiten liegen mit 4,6 Millionen „nur wenig über der Kostenberechnung“. Vom Land Baden-Württemberg gab es eine Förderung in Höhe von 1,6 Millionen Euro. Gut fünf Millionen Euro würden für den Umbau der Anlage zum Regenüberlaufbecken benötigt. Die Inbetriebnahme dafür ist für Anfang 2025 vorgesehen. In gut einem Jahr steht dann also doch noch eine Eröffnungsfeier an.