Kirchheim. Im Strafprozess gegen einen 57-jährigen Vietnamesen aus Kirchheim, der einen Mann die Treppe hinuntergestoßen und eine Frau vergewaltigt haben soll, hat das Stuttgarter Landgericht am gestrigen Verhandlungstag das seiner Meinung nach vorgesehene Strafmaß bekanntgegeben. Demnach soll der bisher nicht vorbestrafte Angeklagte mit einer höchstens zweijährigen Bewährungsstrafe davonkommen.
Angeklagt wurde der 57-Jährige von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft wegen zweier gefährlicher Körperverletzungen, einer Vergewaltigung der getrennt von ihm lebenden Ehefrau und wegen versuchten Totschlags. Im Mai 2019 soll er in seiner Kirchheimer Wohnung einen Mitbewohner die Treppe hinuntergestoßen und dessen Tod billigend in Kauf genommen haben. Zudem soll er seinen eigenen Sohn verprügelt und verletzt haben.
Die Richter der Schwurgerichtskammer am Stuttgarter Landgericht, der Staatsanwalt und der Verteidiger haben nun Gespräche geführt und dabei erörtert, wie der Angeklagte bei einem Geständnis strafrechtlich zu behandeln sei. Dabei sei, so der Vorsitzende, festgestellt worden, dass der Treppensturz kein versuchtes Tötungsdelikt sein könne, weil dazu der „bedingte Tötungsvorsatz“ nicht mit Sicherheit nachweisbar sei. Schließlich hatte der Angeklagte nach dem Vorfall selbst dafür gesorgt, dass das verletzte Opfer ärztliche Hilfe bekommt.
Nur ein geringer Übergriff
Auch den Vorwurf der Vergewaltigung der Ehefrau sehen die Richter im Bereich der persönlichen Umstände und stufen das Geschehen als einen geringen Übergriff ein. Den tätlichen Angriff gegen den 19-jährigen Sohn stuft das Gericht nach vorläufiger Einschätzung als Nötigung und Körperverletzung ein.
Alle Taten zusammen würden mit einer Freiheitsstrafe im Bereich zwischen einem Jahr und drei Monaten bis zu zwei Jahren geahndet werden, sagte der Schwurgerichtsvorsitzende am vierten und vorletzten Prozesstag. Die Strafe könnte auch zur Bewährung ausgesetzt werden, versehen mit einer Auflage. Voraussetzung hierfür sei allerdings ein umfassendes Geständnis des Angeklagten. Dieser hatte bis jetzt alle Vorwürfe weit von sich gewiesen und vom Treppensturz hätte er gar nichts mitbekommen. Nach Rücksprache mit seinem Verteidiger hat es sich der Angeklagte nun wohl doch anders überlegt und möchte gestehen. In diesem Fall könnte am nächsten Verhandlungstag, dem 1. Dezember, das Urteil verkündet werden. Aus der Untersuchungshaft wurde der 57-Jährige bereits
entlassen. Bernd Winckler