Kirchheim
Arbeiten wäre auch am Strand möglich

BDS Bettina Schmauder und Jan Dietz stellen die neue Doppelspitze des Landesverbands Baden-Württemberg. Im Teckboten berichten sie, was sie über das Thema „Homeoffice“ denken. Von Andreas Volz

Homeoffice: Kaum ein Schlagwort scheint in der Pandemie so wichtig zu sein wie der Anglizismus, der die Möglichkeit beschreiben soll, auch vom heimischen Küchen- oder Wohnzimmertisch aus seine Büroarbeit zu erledigen. Das Homeoffice gilt vielen als die ideale Lösung, um gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Die Wirtschaft läuft weiter, weil die Arbeit ja gemacht wird. Die Kinderbetreuung ist einfacher, wenn die Eltern arbeiten, aber trotzdem daheim sind. Und schließlich werden auch die Kontakte am Arbeitsplatz deutlich reduziert, sodass die allgemeine Ansteckungsgefahr zurückgeht.

Ganz so einfach ist es aber nicht, wie zwei lokale Funktionäre des Bunds der Selbständigen (BDS) feststellen, die just am Samstag in noch wesentlich höhere Positionen gewählt wurden: Bettina Schmauder aus Kirchheim und Jan Dietz aus Dettingen. Als künftige Doppelspitze des BDS-Landesverbands Baden-Württemberg lösen sie den bisherigen Präsidenten Günther Hieber nach 13 Jahren ab. 98 Prozent Zustimmung sind ein klares Signal und ein ordentlicher Vertrauensvorschuss der Mitglieder. Passend zum Thema Homeoffice fanden die Mitgliederversammlung und die dazugehörige Wahl am Samstag virtuell statt.

Für Bettina Schmauder hat das Homeoffice durchaus seine Berechtigung. Trotzdem kritisiert sie die einseitige politische Debatte: „Was mich an der Sache stört, ist der Eindruck, der da verbreitet wird, als könnte allein das Homeoffice Corona verhindern. Für meinen Geschmack werden die Arbeitgeber dabei zu sehr an den Pranger gestellt.“ Mitarbeiter, die beispielsweise in der Werkstatt arbeiten, fühlten sich in dieser Diskussion gar nicht wahrgenommen.

Bei ihr im Autohaus Schmauder & Rau liege der Anteil der Kollegen, für die das überhaupt in Frage kommt, bei unter fünf Prozent. „Dafür haben wir die Sicherheitsstandards im Betrieb erhöht.“ Abstand, Trennungen, Masken gehören seither zum Arbeitsalltag: „Wir haben jetzt auch UVC- Geräte angeschafft.“ Ohnehin gebe es seit langem einen Hol- und Bringservice für die Autos, einschließlich kontaktloser Fahrzeugübergabe. Bettina Schmauder hat allerdings den Eindruck: „Je länger Corona dauert, desto weniger Leute wollen diesen Service nutzen.“

Der Arbeitsplatz als sozialer Ort

Ein Problem beim Homeoffice sieht Bettina Schmauder in der Tatsache, dass der Arbeitsplatz normalerweise auch ein sozialer Ort ist, bei dem der informelle Austausch besonders wichtig ist - nicht zuletzt für den Arbeitsprozess selbst. In der Geschäftsstelle der Kirchheimer Knights stellt sie fest, dass das „Führen aus der Ferne“ nicht gerade einfach ist. „Wie leite ich Auszubildende an, wenn ich nur am Bildschirm oder telefonisch mit ihnen Kontakt habe?“

Ihr Kollege als neuer BDS-Landesverbandspräsident Jan Dietz hat beim Begriff „Homeoffice“ schon ein Problem mit der Definition: „Die Politik fordert kein Homeoffice, sondern mobiles Arbeiten.“ Beim Homeoffice müssten nämlich Arbeitssicherheitsstandards eingehalten werden, die kein Unternehmen für seine Mitarbeiter garantieren könne. Auch er ärgert sich über die politische Debatte: „Da wird immer so getan, als würden die Arbeitgeber ihre Mitarbeiter ins Büro zwingen, damit die dort krank werden.“

Das sei natürlich blanker Unfug: „Kein Arbeitgeber hat Interesse daran, dass sich seine Mitarbeiter mit dem Coronavirus infizieren.“ Aus seiner Erfahrung als Unternehmensberater heraus kennt er es ohnehin umgekehrt: „Viele Leute gehen schon lange nicht mehr in ihr Büro.“ Auch Jan Dietz betont, dass sich nicht jede Arbeit mobil erledigen lässt. „Wer aber Kopfarbeit leistet und dazu nur einen Laptop braucht, der kann im Prinzip auch am Strand arbeiten.“

Wichtig sei nicht die Anwesenheit, sondern die Aufgabe, die erledigt wird - und die Erreichbarkeit. „Wer bei einem Besprechungstermin nicht dabei sein kann, schaltet sich eben online dazu.“ Wichtig sei es auch, dass die Arbeits- und Pausenzeiten eingehalten werden: „Erreichbar sein heißt nicht, dass man eine Anfrage mitten in der Nacht sofort beantworten muss. Es gibt das Recht auf Ruhe.“