Kirchheim
Atemlos – einmal anders

Musikkabarett Sympathisch, dynamisch, gewitzt: Markus Kapp überzeugt im Bürgerhaus Lindorf mit geist- und pointenreicher Sprachakrobatik. Von Sabine Ackermann

Da steht er. Leger, im Ringel-T-Shirt, sportlichem Jackett und Jeans. Markus Kapp, geboren in Baden-Baden, aufgewachsen in Offenburg, zu Hause in Karlsruhe, und doch hat der „Tausendsassa“, wie ihn Kuli-Sprecherin Regina Rübbert bezeichnet, direkt vom „Kapp der guten Hoffnung“ mit seinem schwimmenden Klavier im Bürgerhaus in Kirchheim-Lindorf angelegt. Zum Glück.

„Das ich heute hier sein kann, das freut mich für Sie“, begrüßt der 50-jährige Diplom-Theologe sein Publikum. Ein Generalist, der Religion und Musik unterrichtet und sein Lehrerdasein, heute vermehrt als „Handy-Einsammler“, bei einem vergleichbar überschaubaren Deputat, mit seinen musikalisch-kabarettistischen „Teilzeitjobs“ verbindet.

 

Wenn man Buchstaben­suppe auskotzt, ist das gebrochenes Deutsch?
Markus Kapp

 

Ohne das leidige C-Wort auszusprechen, zieht Markus Kapp kurz Bilanz, eigens dafür habe er sich eine „fetzige Melodie ausgedacht, aber leider keinen Text.“ Dann blickt der Musiker suchend ins Publikum und erkennt, dass ganz hinten jemand etwas denkt. „Mir fehlt die Hoffnung, deshalb habe ich mir eine Karte gekauft“, spielt der Komponist, Arrangeur und Texter sein erstes Lied, das wie die nachfolgenden aus eigener Feder stammt. „Heute spiele ich mein zweites Programm, die Stimmung ist grandios … ja, vielleicht irgendwann.“

Gut erkannt, denn tatsächlich köchelte die Stimmung anfangs noch auf Sparflamme, was Herbert aus der ersten Reihe mit einem „es ist immer noch Luft nach unten“ kommentierte. Danach war das Eis gebrochen, fortan ging es dank Markus Kapps locker-leichter Humorkost lachtechnisch steil nach oben auf der Informations-Verlust-Treppe, nach dem Motto: „Was ist Fake? Was ist Fakt? Trump, Putin, Fishmac ohne Fisch oder Köttbullar, die wie Pferdeäpfel aussehen?“

Und plötzlich lässt es sich gut damit leben, dass mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet werden. Zum Beispiel im Unterricht, wenn „analog aufgewachsene Alt-68er den 15-jährigen Computer-Hacker-Profis beibringen, wie man eine Excel-Tabelle erstellt – das ist ungefähr so, wie wenn ein katholischer Pfarrer das Kamasutra erklärt.“ Nicht minder herrlich seine Vergleiche von damals und jetzt. „Iss deinen Teller leer, dann scheint die Sonne“, machte man einst dem Nachwuchs das Essen schmackhaft. „Heute haben wir dicke Kinder und Erderwärmung.“ Oder: „Klingelte man früher an der Haustür und ist weggerannt – macht das heute DHL.“ Lust auf ein Eis zum Mitnehmen? Hieß es früher „Vanille, Schoko, Erdbeere, 90 Cent“ ist die Kundschaft heutzutage bedeutend anspruchsvoller. „Ich hätte gerne drei Kugeln X-Large in der Low-Carb-Dinkel-Waffeltüte, einmal Goji-Beere-Basilikum, einmal Blumenkohl-Ingwer und Alge-Karamell-Sol mit Chiasamen-Topping – 4,50 Euro und Postleitzahl.“

Erinnert an das gute alte Fernsehen. Hatte man seinerzeit die Wahl zwischen Tatort und Volksmusik, laufen heute Kakerlaken über den Bildschirm und Bohlen sucht Deutschlands Talente, die gewinnen, wenn sie im Handstand pupsen können, singt er zur Melodie „Kriminal-(Digital)-Tango“.

Er ärgert sich über das „Internet der Dinge“ und Social Media, da sei man „Jenseits vom Reden“, erklärt, „1000-mal gewischt, scheiße, bei Tinder klappt das nicht“, und ist stolz, dass er sich die Mail­adresse des Papstes „Urbi et Orbi“ gemerkt habe. „Kann ein Glatzkopf auch eine Glückssträhne haben? Wenn man die Buchstabensuppe auskotzt, ist das gebrochenes Deutsch? Kann man Aftershave auch fürs Gesicht benutzen?“ Alles sei eine Frage der Sichtweise, so der Kabarettist, der seinem Publikum mit diesen Fragen das Zwerchfell über die Ohren zieht.

Zwei dichte Stunden bietet Markus Kapp eine sprachakrobatische Meisterleistung ohne Atempause oder etwaige Hänger, ein vielseitiges Feuerwerk, das auch bezüglich seiner Musikalität seinesgleichen sucht. Stimmgewaltig und in rasendem Tempo feuert der charismatische Bühnenkünstler seine geschliffenen Denkanstöße durchs Bürgerhaus.

Doch der Tausendsassa kann auch tiefgreifend, wie bei einem Lied „Gottes Wille“, in dem es keine Rolle spielt, wie man ihn nennt oder zu welchem Glauben man sich bekennt. „In seinem Namen verursacht ihr Leid, für das ihr allein verantwortlich seid, ihr, das sogenannte ‚Bodenpersonal‘. Ihr seht die Welt mit Scheuklappenbrille, doch das ist um Gottes Willen nicht Gottes Wille.“

 

Kultur in Lindorf

Seit 2006 führt der Verein „Kultur in Lindorf“ – eine Unterabteilung des Bürgervereins Lindorf und kurz „Kuli“ genannt – die seit 1993 bestehende Tradition fort, jeweils im Frühjahr und Herbst eine Kabarettveranstaltung zu organisieren. Zusätzlich gibt es jährlich im November ein Kindertheater vorwiegend für Kinder aus Lindorf, aber auch Gäste sind willkommen. www.kultur-in-lindorf.de. ack