Kirchheim

Auch im Paradies hat die Freiheit Grenzen

Natur Auf Streuobstwiesen gelten Regeln. Das gilt nicht nur für die Pflege. Sogar das Zelten muss von der Behörde genehmigt werden. Von Daniela Haußmann

Wer eine Streuobstwiese besitzt, kann nicht tun und lassen, was er will.  Es gibt einiges zu beachten.Archiv-Foto: Jean-Luc Jacq
Wer eine Streuobstwiese besitzt, kann nicht tun und lassen, was er will. Es gibt einiges zu beachten. Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques

Sommerzeit ist Festzeit. Wenn die Sonne scheint und keine Wolke zu sehen ist, zieht es viele auf die Streuobstwiesen. Und das aus gutem Grund. Jede Menge Platz, tolle Freiluft-Atmosphäre und wenig Nachbarn: Kaum ein Ort ist besser für eine Party geeignet als das Stückle. Das gilt auch rings um die Teck. Doch die Freiheit auf den Streuobstwiesen ist nicht grenzenlos.

Wer im Grünen riesige Feten feiert und das Radio bis zum Anschlag aufdreht, braucht sich laut Jens Häußler von der Obst- und Gartenbauberatung des Landratsamtes Esslingen nicht zu wundern, wenn es Ärger mit den Behörden gibt. Der Experte betont, dass kleinere Feiern, an denen acht bis zehn Personen teilnehmen, kein Problem darstellen, solange sich der Lärmpegel in Grenzen hält. „Streuobstwiesen sind für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ein wertvolles Biotop, das es zu erhalten gilt“, erklärt Häußler. „An diesem Schutzgedanken muss sich letztlich jede Art der Nutzung orientieren.“

Zwischenzeitlich haben auch im Landkreis einige Paare das Stückle als attraktive Hochzeits-Location entdeckt. Privateigentum hin oder her - jede Veranstaltung, zu der mehr als zehn Personen kommen, braucht eine Genehmigung. „Und die erteilt die Untere Naturschutzbehörde aus den genannten Gründen nicht“, so der Experte. „In einem Vogelschutzgebiet sind die Bestimmungen verständlicherweise noch strenger.“

Höchstwahrscheinlich ist manchen Streuobstwiesenbesitzern gar nicht bewusst, dass sich ihr Grundstück in einem Landschafts-, Natur-, Wasser- oder Vogelschutzgebiet befindet. Solche Informationen sind aber wichtig, weil sie Einfluss darauf haben, wie die Fläche bewirtschaftet und genutzt werden darf.

Bestes Beispiel dafür ist das Thema Zelten. Dass das Aufstellen

Symbolbild

von Partyzelten verboten ist, mag einleuchten. Dass aber jeder, der im kleinen Zelt auf der eigenen Wiese übernachten will, eine behördliche Genehmigung braucht, ist schwer nachvollziehbar. Gerade der Boden bildet laut Häußler das Fundament für die Artenvielfalt in der Kulturlandschaft. „Dort befinden sich etliche Pflanzen, auf die zum Beispiel Insekten angewiesen sind.“

 

 

Kopfzerbrechen bereitet den Fachleuten auch in Kirchheim und im Umland eine ganz andere Sache: brachliegende Wiesen. Die Vegetation wuchert wild vor sich hin, lässt ganze Wiesen verschwinden und droht auf angrenzende Grundstücke überzugreifen. „Für Nachbarn und Landwirte ein Ärgernis“, berichtet Christina Werstein, Juristin bim Bauamt und der Unteren Naturschutzbehörde. „Die Bauern klagen immer öfter über Wege, die langsam aber sicher zuwachsen.“ In solchen Fällen müssen sich Betroffene an die zuständige Kommunalverwaltung wenden.

Ihr zufolge wird der Grundstückseigentümer dann vom lokalen Ordnungsamt aufgefordert, das Problem zu beseitigen. „Tut er das nicht, wird die Vegetation zwangsweise gestutzt und der Aufwand zusammen mit einem Bußgeld in Rechnung gestellt.“ Es besteht zwar keine Pflicht, regelmäßig Bäume zu schneiden. Wenn aber andere durch die ausbleibende Bewirtschaftung einen spürbaren Nachteil erfahren, gelten laut Werstein andere Regeln.

Darüber hinaus ist das Verbrennen von Schnittgut seit einigen Jahren untersagt. „Das Material muss zur Sammelstelle“, sagt Jens Häußler. Nur in Ausnahmefällen, wenn das Grundstück schwer zugänglich ist, ist eine Entsorgung durch Verrotten oder Verbrennen nach behördlicher Genehmigung gestattet.

Die Liste der Verstöße ist lang

„Wo kein Kläger, da kein Richter“, mag mancher denken. Doch laut Christina Werstein erhält das Landratsamt jedes Jahr viele anonyme Hinweise, auch aus dem Kirchheimer Raum. „Denen müssen wir nachgehen“, sagt die Juristin.

Oben auf der Hinweis-Liste stehen Bäume, die entfernt worden sind. Jedes entfernte Exemplar muss durch ein neues ersetzt werden. „Und das Gesetz schreibt vor, dass es eine heimische Art sein muss. Das gilt übrigens auch bei lebenden Einfriedungen“, so Jens Häußler. Er betont, dass solche Regelungen zum Erhalt des Streuobstparadieses beitragen. dh