Kirchheim

Auf die Zahlen ist nur bedingt Verlass

Unterbringung Kirchheim ist besser dran, als es lange Zeit zu befürchten war. Aber der Familiennachzug sorgt noch für große Unwägbarkeiten. Von Andreas Volz

Diese grüne Wiese soll sich spätestens 2020 stark verändern: Insgesamt vier neue Wohngebäude will die Stadt Kirchheim im Gebiet
Diese grüne Wiese soll sich spätestens 2020 stark verändern: Insgesamt vier neue Wohngebäude will die Stadt Kirchheim im Gebiet „Schafhof IV“ errichten lassen.Foto: Jean-Luc Jacques

Die Zahlen können sich sehen lassen, und sie deuten auch auf eine gewisse Entspannung der Lage hin: Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise musste die Stadt Kirchheim noch davon ausgehen, dass sie allein bis Ende 2017 Unterkünfte für 680 Menschen bereitzustellen habe. Jetzt sind es für den Zeitraum 2016 bis 2020 insgesamt 677 Flüchtlinge, für die die Stadt Räume zur Anschlussunterbringung vorhalten muss.

Beim Werkstattbericht zur Anschluss- und Obdachlosenunterbringung warnte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker im Gemeinderat allerdings davor, sich jetzt erst einmal zurückzulehnen und die Aufgaben als erledigt zu betrachten: „Alle, die in ihrem Alltag mit der Unterbringung zu tun haben, glauben nicht an diese Zahlen, weil darin der Familiennachzug nicht enthalten ist.“

Der Aufruf, Privatwohnungen für die Anschlussunterbringung zur Verfügung zu stellen, war durchaus erfolgreich: Seit März 2016 hat die Stadtverwaltung 104 Wohnungen angeboten bekommen. 45 Wohnungen hat sie auch tatsächlich angemietet. Bei 14 Wohnungen laufen derzeit noch Verhandlungen. Die restlichen 45 Wohnungen waren dagegen aus unterschiedlichsten Gründen nicht geeignet. Das könnte auch für Wohnungen gelten, die komplett privat vermietet wurden: Etliche davon seien in einem so schlechten Zustand, „dass die Menschen, die dort untergekommen sind, über kurz oder lang wieder vor unserer Tür stehen“.

537 Flüchtlinge hat die Stadt seit 2015 untergebracht, nach der Quote, die das Landratsamt in Esslingen festlegt. Hinzu kommen 14 einstmals Minderjährige, die über die vorgegebene Quote hinaus unterzubringen sind. Außerdem gibt es immer mehr Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind und denen die Stadt ebenfalls Wohnraum zur Verfügung stellen muss. 2017 hatte das 84 Personen betroffen, im laufenden Jahr waren es bereits 48.

Vier Gebäude auf dem Schafhof

Auf dem Schafhof sollen jetzt vier neue städtische Gebäude entstehen. Jeweils zwei dieser Wohnhäuser sind für Flüchtlinge und für Obdachlose vorgesehen. Im Dezember wird der Gemeinderat weitere Beratungen über den „Schafhof IV“ führen. Der Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan könnte im Sommer 2019 anstehen. Die Bauzeit dürfte dann ins Jahr 2020 fallen.

Fertiggestellt sind dagegen die beiden Gebäude auf dem Jesinger Bolzplatz. Sie werden derzeit bezogen. Anders sieht es auf der Klosterwiese aus: Dort hatte sich ein Gewerk verzögert - mit gravierenden Folgen. Andere Handwerker konnten deshalb zu den vereinbarten Zeiten noch nicht auf der Klosterwiese arbeiten. Für später hatten sie aber bereits andere Aufträge in ihren Büchern stehen. Fertigstellung und Bezug sind jetzt für Februar 2019 geplant.

Das zweigeschossige Gebäude in der Kitteneshalde soll schon im Dezember 2018 zur Verfügung stehen. Hier geht es um Menschen in der Obdachlosigkeit oder in prekären Wohnverhältnissen, die dort einziehen sollen. - Die beiden Häuser auf dem Dreschplatz in Lindorf dürften Anfang und Mitte 2019 bezugsfertig sein. Im Ötlinger Ginsterweg soll im Sommer oder Herbst 2019 der Bau beginnen. Dafür entfällt der Standort Alte Kirchheimer Straße in Nabern. Dort ist die Stadt auf der Suche nach Bestandsgebäuden.

Die SPD-Stadträtin Marianne Gmelin verwies darauf, dass es mit dem Bauen und mit dem Bezug von Wohnungen nicht getan ist: „In Jesingen kommt es beispielsweise zu Engpässen im Kindergarten, und in der Schule sieht es ähnlich aus. Da braucht es entsprechende Übergangslösungen.“

Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Sabine Bur am Orde-Käß, findet die Bauverzögerungen ärgerlich: „Einerseits können wir die Leute nicht unterbringen, und andererseits fehlen uns Mieteinnahmen.“ Deshalb regte sie an, die verantwortlichen Betriebe in Regress zu nehmen.

Situation in Gambia sorgt für eine Debatte am Rand

Gambia war die Grundlage einer Debatte, die der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Thilo Rose im Kirchheimer Gemeinderat anstieß: Er fragte, wie es denn zusammenpasse, wenn die Stadt Kirchheim im Hafenkäs und in Jesingen 25 Gambier unterbringen muss - und wenn er gleichzeitig auf Werbung für Urlaubsreisen nach Gambia stößt.

Antworten auf diese Frage gab die SPD: Marianne Gmelin sagte kurz und knapp: „Die Gambier in Jesingen machen eine Ausbildung.“ Das heißt, sie müssen so lange untergebracht werden, bis die Ausbildung beendet ist. Andreas Kenner erinnerte daran, dass viele Urlauber auch während des Franco-Regimes nach Spanien reisten.

Weitere Antworten legte Oberbürger- meisterin Angelika Matt-Heidecker nach: „Zum einen gibt es Verfolgungen in Gambia. Zum anderen kann man manche Menschen mangels Pass nicht abschieben.“ Außerdem sei für solche Fragen die große Politik zuständig: „Wir müssen hier vor Ort trotzdem unsere Pflicht erfüllen.“ vol