Kirchheim
Aufs Schulterklopfen war immer Verlass

Arbeitsmarkt Das Kirchheimer Unternehmen „Pro 58 plus“ hat über Jahre hinweg versucht, ältere Menschen wieder ins Arbeitsleben zu integrieren. Aus wirtschaftlichen Gründen setzt es jetzt auf Jüngere. Von Andreas Volz

Wohltaten rechnen sich nicht unbedingt: Diese Erfahrung hat Walter Brackenhammer in Kirchheim mit seinem Unternehmen „Pro 58 plus“ gemacht. Die Idee, die dahintersteckt, kommt schon im Namen zum Ausdruck: „Es ging darum, ältere Arbeitnehmer wieder auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen.“ Zielgruppe waren Menschen, die 58 oder älter sind und die zudem bereits seit längerer Zeit arbeitslos waren. 2014 hat das Projekt begonnen, mit dem Motto, die „Leistung durch Erfahrung“ zu bewerben.

Walter Brackenhammer, der selbst noch ein paar Jahre von seiner damaligen Zielgruppe entfernt ist, wollte die älteren Arbeitnehmer rehabilitieren: „Die werden als ,alte Dackel‘ abgestempelt. Dabei bringen sie doch eine große Erfahrung mit.“ Im Lauf der Zeit konnte er allerdings selbst immer mehr Erfahrung sammeln, denn die Erfahrung seiner Mitarbeiter war nicht alles, was bei den Kunden zählte: „Nur einmal hat uns ein Kunde beauftragt, weil er sich damit sozial engagieren wollte, weil er helfen wollte.“ Die meis­ten anderen hätten ihm und seinen Mitstreitern nur auf die Schulter geklopft und gesagt: „Toll, was ihr da macht, aber wir haben jemanden, der billiger ist.“

Es fällt Walter ­Brackenhammer immer noch schwer, sein Fazit auch wirklich auszusprechen: „Man kann in diesem Bereich eben doch nur schwer Geld verdienen.“ Letzteres war aber das Ziel: „Wir wollten diese Leute wieder im Arbeitsleben integrieren - ohne dass wir Unterstützung von außen brauchten.“ Die Geschäftsfelder waren Hausmeisterdienste, Reinigungs- oder Gartenarbeiten. Hinzu kam der Räum- und Streudienst im Winter. Gefragte Dienstleistungen, durchaus - aber mit Jüngeren geht es meistens schneller und damit auch günstiger.

„Ohne staatliche Unterstützung geht es nicht“, stellt Walter Brackenhammer ernüchtert fest. Aber bei den Politikern, an die er sich wandte, erntete er nur das Schulterklopfen, das er bereits zur Genüge kannte. Er sieht ein, dass staatliche Förderung einen Eingriff in den freien Markt bedeutet und dass ihn die Agentur für Arbeit nicht so einfach unterstützen kann. Aber über eine ­Geschichte ärgert er sich immer noch: „Da wurde uns ein Wiedereingliederungsantrag abgelehnt, mit Verweis, dass der Betreffende eine gute Ausbildung habe und leicht vermittelbar sei.“ Seine Gegenfrage wurde nicht beantwortet: „Warum habt ihr ihn dann zwei Jahre lang nicht vermitteln können?“

Keine Kündigung ausgesprochen

Stolz ist Walter Brackenhammer bis heute darauf, dass er alle seine älteren Arbeitnehmer bis zur Rente behalten hat: „Es wurde keine Kündigung ausgesprochen. Nur einmal haben wir die Zusammenarbeit mit einer Freiberuflerin vorzeitig beendet.“ Trotzdem hat er 2019 die Reißleine gezogen und auf der Weihnachtsfeier die Idee von „Pro 58 plus“ für „gestorben“ erklärt - weil es für ihn ein Draufzahlgeschäft war. Das Unternehmen als solches ist nicht gestorben. Es bietet weiterhin seine Dienstleistungen an, aber eben mit jüngeren Mitarbeitern. Außerdem hat sich das Tätigkeitsfeld immer mehr in Richtung Hausverwaltung verschoben. Flexibilität ist weiterhin Trumpf - jetzt auch beim Alter der Belegschaft.