Kirchheim
Aus der Diktatur in die Freiheit

Angekommen In Gambia wuchs Bakary Jallow in einem Polizeistaat auf. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist der junge Vater bestens integriert. Von Florian Stegmaier

Bakary Jallow strahlt: „Das ist wie ein Sechser im Lotto!“. Bald kann er seine Ausbildung als Mechaniker für Baumaschinen beginnen. Für den 29-jährigen Gambier ein Grund zur Freude. Denn mit seiner Berufswahl schließt er nicht nur an die bereits in Afrika erworbenen Kompetenzen als Techniker für Energieerzeugung an. Er wird auch in seiner Wunschfirma tätig sein, in der er schon seit Längerem zum Team gehört. Als engagierte Vollzeitkraft genießt er dort große Wertschätzung: „Mein Chef unterstützt mich und auch die Kollegen sind toll!“

Sprachkompetenz ist wichtig

Zuvor will er aber noch das B1-Sprachzertifikat erwerben, das ihm einen souveränen Umgang mit der deutschen Sprache bescheinigt. Dabei spricht Jallow doch bereits sehr gut Deutsch: „Ja, aber mit dem korrekten Schreiben hapert es noch etwas“, räumt der junge Vater lächelnd ein.

Jallow und seine Frau Mama Kanyi sind stolze Eltern einer einjährigen Tochter. Da gibt es wenig Leerlauf. Der Tag beginnt meist schon um fünf Uhr früh. Nach der Arbeit stehen abends noch Sprachkurs und Fahrschule an. Am Wochenende jobbt Jallow in der Kirchheimer Medius-Klinik. Seine Frau, die im Zuge der Familienzusammenführung nach Deutschland kam, möchte in der Klinik eine Ausbildung zur Krankenschwester absolvieren. Bis vor Kurzem wohnte die dreiköpfige Familie recht beengt in einem Zimmer des Kirchheimer Schwesternwohnheims. Inzwischen haben sie eine kleine Wohnung in Jesingen gefunden.

Seit acht Jahren lebt Jallow in Deutschland. In Gambia wuchs er unter dem grausamen Regime von Yahya Jammeh auf. Der Diktator kam 1994 durch einen Militärputsch an die Macht, wo er sich 22 Jahre lang halten konnte. Er sorgte für die Wiedereinführung der Todesstrafe und pflegte einen bizarren Personenkult. Zudem wird er der Ermordung politischer Gegner beschuldigt. Schon eine harmlose Äußerung genügte, um in Jammehs Polizeistaat als Regimekritiker angegangen zu werden.

Aus politischen Gründen sah sich auch Bakary Jallow gezwungen, 2014 seine westafrikanische Heimat zu verlassen. Eine Odyssee führte den jungen Mann quer durch Afrika: im Lkw über den Senegal, Mali und Burkina Faso nach Nigeria, von wo er sich weiter nach Libyen durchschlug. Dort erwartet viele Flüchtlinge der blanke Horror. Staatliche Internierungslager, Gefangenschaft oder Folter durch skrupellose Menschenhändler sind in Libyen alltägliche Szenarien.

Doch Jallow hatte Glück: „Ich bin in Libyen an die richtigen Leute geraten, die mir geholfen haben.“ Sogar die Überfahrt über das Mittelmeer war für ihn umsonst. Das ist nicht selbstverständlich. Schleuser verlangen pro Person oft 1000 Dollar oder mehr. Lebensgefährlich blieb die Fahrt auf offenem Meer dennoch: „Rund 350 Menschen saßen in dem überfüllten Boot“, erinnert sich Jallow. Viele Frauen und Kinder seien an Bord gewesen, auch Menschen mit Behinderungen: „Aber es ging gut. Alle sind sicher auf dem europäischen Festland angekommen.“ Über die Balkanroute kam Jallow nach Deutschland. Dass er hier gleich einen guten Start hatte, verdankt er dem Einsatz ehrenamtlicher Helfer: „Ich wurde mit Kleidung und einem Fahrrad versorgt und bekam Unterstützung beim Deutschlernen.“ Auch für Begleitung bei Behördengängen und die kompetente Hilfe im Dickicht deutscher Bürokratie ist er heute noch dankbar.

Die Möglichkeit zum Besuch der technisch orientierten Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Nürtingen war ein großer Schritt vorwärts: „Das hat mir das Einleben und den Spracherwerb sehr erleichtert“, blickt Jallow auf seine erste Zeit in Deutschland zurück. „Parallel konnte ich nachmittags bei UPS arbeiten und später eine Ausbildung bei der Deutschen Angestelltenakademie machen.“ In Kirchheim lebt Jallows junge Familie sehr gerne: „Wir haben kurze Wege zur Arbeit und sind sozial gut eingebunden.“

Wenn auch die positiven Erfahrungen überwiegen, ist er dennoch mit Vorurteilen konfrontiert, vor allem seiner Hautfarbe wegen. „Vielleicht besteht einfach zu viel Angst vor dem Fremden“, gibt er zu bedenken. Denjenigen, die ihre politische Meinung aus allzu einschlägigen Kanälen beziehen, rät Jallow zur persönlichen Begegnung: „Es wäre hilfreich, mit den Geflüchteten ins Gespräch zu kommen und sie einfach als Menschen kennenzulernen.“ Und allen, die derzeit als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, empfiehlt er vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrung, als Erstes Deutsch zu lernen und nach Arbeit zu suchen: „Das hilft, Vorbehalten entgegenzuwirken, und ist zugleich die beste Basis für eine gelingende Integration.“

 

Angekommen

In einer Serie „Angekommen“ stellt der Teckbote geflüchtete Menschen aus Kirchheim vor, denen es gelungen ist, sich zu integrieren. Ihre Lebenswege sind auch Thema der aktuellen Ausstellung „Wir.Gemeinsam!“. Sie war bis Ende November im Kirchheimer Rathaus zu sehen. Jetzt ist sie in den Kirchheimer Bürgertreff gewandert.