Kirchheim

Aus Ruhe und Gelassenheit Kraft schöpfen

Vortrag Probleme werden immer komplexer, da helfen die einfachen Dinge, meint Theologe Friedrich Schorlemmer.

Friedrich Schorlemmer sprach eindringlich zu den Zuhörern in der Kirchheimer Martinskirche.Foto: Jean-Luc Jacques
Friedrich Schorlemmer sprach eindringlich zu den Zuhörern in der Kirchheimer Martinskirche. Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Wer den Namen Friedrich Schorlemmer hört, denkt an eine Legende der DDR-Friedensbewegung. Auf dem Kirchentag 1983 in Wittenberg ließ er unter Anwesenheit des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker symbolisch ein Schwert in eine Pflugschar umschmieden. Die DDR-Behörden hatten vorher die öffentliche Benutzung des Slogans Schwerter zu Pflugscharen für illegal erklärt.

Der Friedensaktivist, Theologe und Pfarrer und SPD-Mitglied brennt auch mit 75 Jahren noch für Gerechtigkeit, und seit einiger Zeit auch für das Thema Klimawandel. Davon konnten sich mehr als 200 Zuhörer in der Kirchheimer Martinskirche überzeugen, in die er auf Einladung der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde und des Evangelischen Bildungswerks gekommen war. Es ging unter anderem um „Haltung“. „Wer keine Haltung hat, kommt auch nicht zur Handlung“, sagte der Friedensaktivist. Er kann nicht verstehen, dass Menschen die Bedrohung durch den Klimawandel kennen und nicht reagieren. „Warum werden noch SUV von so vielen Menschen gekauft. Unter welchen Menschen lebe ich?“, fragte er sich entgeistert. Resignation machte sich bisweilen breit in seiner rund einstündigen Rede. Ob er glaube, dass die Menschheit überhaupt noch eine Chance habe, werde er bisweilen gefragt. „Es ist wichtig, es zumindest zu versuchen“, lautet seine Antwort. Die Hoffnung auf den Sieg der Vernunft kontrastiert immer wieder mit seiner Verzweiflung über die Menschheit, mit der „Dosis Apokalypse“, wie er selbst sagt. „Man muss an Gott glauben, wenn man glaubt, dass vernunftgemäßes Handeln sich durchsetzen kann.“

Dann schlägt der Bewunderer der Klimaaktivistin Greta Thunberg und des kürzlich verstorbenen Erhard Eppler versöhnlichere Töne an. „Erst singen, dann engagieren. Erst preisen, dann klagen“, lautet seine Botschaft. Eigentlich ist es logisch: Der Mensch muss erst sehen, wie schön die Welt ist, bevor er mit Leidenschaft anpackt, sie zu retten.

Im zweiten Teil seiner Rede ermuntert der Eisenacher Theologe seine Zuhörer, die schönen Seiten des Lebens zu genießen. Der ehemalige DDR-Bürger Schorlemmer freut sich noch heute über den Mauerfall. „Ich bin so froh, dass wir das kommunistische Regime mit seinen zwei Weinsorten hinter uns gebracht haben“, sagt er. Die Erde zu loben, die Bäume und die Luft: Wie man Dankbarkeit auch in einer ausweglosen Situation spürt, zeigt Friedrich Schorlemmer mit Zitaten von Dietrich Bonhoeffer, der im Zweiten Weltkrieg von den Nazis hingerichtet wurde und in seiner Haft tröstliche Botschaften verfasste. „Man trägt das Vergangene in sich voller Dankbarkeit wie ein Geschenk, nicht wie einen Stachel“ - dieser Satz hallt nach unter den Zuhörern in der Martinskirche. „Dankbarkeit ist eine Kraftquelle, die hilft, Unzufriedenheit produktiv zu machen“, sagt er. „Wo in einer Gesellschaft das Danksagen verlorengeht, verrohen die Menschen“, ist er überzeugt.

Zwar erinnert er immer wieder an die Grundschuld des Menschen, der das zerstört, was ihm von Gott anvertraut wurde. „Noch ist Zeit, denn die Erde ist zu retten“, glaubt er. Ganz einfach könne man bei sich selbst beginnen. „Ein bewusster Verzicht ist ein Gewinn an Freiheit.“ Nicht verzagen, lautet seine Botschaft. Spaziergänge, schweigen, Briefe mit der Hand schreiben. Das hilft, gelassen zu werden, denn Gelassenheit wird bei ihm zur Kraftquelle. Einer der letzten Sätze des kraftvollen Vortrags: Zusammensitzen bei einem prickelnden Glas Weißwein, das ist der ganze Sinn. Manchmal kann es so einfach sein. Thomas Zapp